Facetten der Lust
ich nicht, Chloe. Ich liebe die zarte Röte auf deinen Wangen. Das fordert mich zu sehr heraus, um es nicht zu tun. Ich freue mich auf heute Abend. Ist dir zehn Uhr recht?«
Shirley konnte nur nicken. Ihre Fingerkuppen drohten zu verbrennen. Er schenkte ihr noch ein Lächeln, dann war er verschwunden.
Sie brauchte fünfzehn Minuten, um sich auf ihren Beinen sicher zu fühlen. In der Umkleidekabine zog sie die High Heels und das Kleid an und schlüpfte in die Chloe-Rolle.
Es fühlte sich schäbig an. Da traf sie endlich den Mann ihrer Träume und belog ihn. Aber wenn sie es nicht tat, würde er sie keines Blickes würdigen, so viel stand fest. Doch war sie bereit, Chloes Identität bis zum Äußersten zu spielen?
Sein intensiver Blick hatte keinen Zweifel an seinen Absichten gelassen. Chloe würde eine solche Chance nicht verstreichen lassen. Shirley hingegen konnte einem One-Night-Stand nicht viel abgewinnen. Derartige Begegnungen waren meist oberflächlich und wenig erfüllend.
Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wollte sie Colin. Seine geheimnisvolle Ausstrahlung reizte sie ungemein.
Was soll’s
, dachte sie.
Ich bin für zwei Tage in einer anderen Welt. Ich werde sie auskosten. Am Montag bin ich wieder Shirley Dearing, die Kellnerin in Jackie’s Diner. Warum sollte ich nicht zur Abwechslung die Aufmerksamkeit eines Mannes genießen, der kein Fernfahrer ist und Manieren hat?
Colin sah unglaublich gut aus. Er trug eine schwarze Hose und ein auberginefarbenes Hemd. Sein Sakko hing lässig über der Lehne des Barstuhls. Als er sie sah, lächelte er. Geschmeidig glitt er vom Barhocker und kam ihr entgegen. Sein Blick huschte einer Berührung gleich über ihren Körper.
Shirley konzentrierte sich auf ihren Gang in den Zwölf-Zentimeter-High-Heels. Sie trug ein rotes Satinkleid, das ihre weiblichen Formen betonte, und fühlte sich verdammt sexy. Minutenlang hatte sie sich vorm Spiegel an ihrer Erscheinung geweidet und einen inneren Kampf ausgefochten. Die Lügen waren nicht richtig, aber sie wollte auch nicht aus dem Hotel geworfen werden. Colins offensichtliches Interesse zu riskieren war erst recht keine Option. Jetzt war sie durch und durch Chloe, und es fühlte sich fast schizophren an.
Wortlos ergriff er ihre Hand und küsste erneut ihre Fingerspitzen. Shirley lächelte lasziv und begegnete seinem Blick.
»Du siehst atemberaubend aus, Chloe.«
»Danke!«, sagte sie kess, ließ sich von ihm an die Bar geleiten und setzte sich auf den Hocker zu seiner Linken. Elegant legte sie ein Bein über das andere und war selbst überrascht, wie leicht ihr das gelang. Chloe schien mit ihrer Behauptung, so etwas läge Frauen im Blut, Recht zu behalten.
Wohlwollend sah Shirley, dass Colin krampfhaft schluckte und sich seine Atmung beschleunigte.
Er setzte sich neben sie und brauchte ein paar Augenblicke, bevor er sprach: »Was möchtest du trinken?«
»Einen Cosmopolitan, bitte.«
Der Barkeeper widmete sich ihrem Drink, und Colin schmunzelte.
»Du magst es also stark?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe ihn noch nie getrunken.«
»Und warum hast du ihn bestellt?«
»Die Mädels aus Sex and the City trinken ihn immer.«
Colin lachte sein unverwechselbares Lachen. Shirley genoss es mit jeder Faser ihres Körpers.
»Und welches von den Mädels ist deine Favoritin?«
Eigentlich mochte sie Miranda, mit ihrer Stärke und Geradlinigkeit, am liebsten. Doch sie hatte ein anderes Ziel und sagte mit einem frivolen Lächeln: »Samantha.«
»Dir ist hoffentlich bewusst, was du mit mir anstellst?«, fragte er und bohrte sich in Shirleys Blick.
Der Barkeeper stellte ihren Drink auf den Tresen und bewahrte sie vor einer Antwort. Lächelnd griff sie nach dem Cocktail und nippte daran. Er stieg ihr augenblicklich zu Kopf, und nur mühsam konnte sie ein Husten unterdrücken.
»Wow! Der hat es in sich!«
»Zu stark?«
In Colins Augen stand eine andere Frage.
Kommst du mit auf mein Zimmer? Schläfst du mit mir? Bist du mutig genug, dich mir hinzugeben
?
»Nein, er ist genau richtig, etwas herb, berauschend und man weiß, dass der Kater furchtbar sein wird.«
Sie nahm einen weiteren Schluck und stellte das Glas dann ab. Ihre eigene Courage spielte ihr einen Streich. Adrenalin jagte wie Säure durch ihre Adern und ließ ihr Blut kochen.
Für die nächste halbe Stunde beschränkten sie sich auf Smalltalk, um ihre erhitzten Gemüter zu kühlen. Es half nichts. Die sexuelle Spannung zwischen ihnen war unübersehbar und
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