Facetten der Lust
dem er sich das hatte vorstellen können, dennoch war er sich plötzlich nicht mehr sicher, ob es tatsächlich Liebe gewesen war.
Als Sean Carmen erblickte, wusch er sich die Hände und verließ die Theke. Er war heute kein guter Gastgeber und sollte besser in sein Büro verschwinden.
»In diesem Laden gibt es keinen Macallan.«
Sean blieb wie angewurzelt stehen. Die Stimme hinter ihm war dunkel und weich, mit starkem schottischen Akzent. Sie passte perfekt zu einem Mann mit schwarzer, wilder Mähne und muskelbepacktem Oberkörper. Er wusste noch immer nicht, was es mit diesem Mann auf sich hatte, doch sein wild klopfendes Herz schien es zu wissen.
»Ich habe eine Flasche in meinem Büro«, sagte Sean und drehte sich um.
Der Fremde war nur etwas größer als er selbst. Ungewöhnlich dunkelbraune Augen sahen ihn belustigt von oben bis unten an. Sein Gesicht war unter einem akkurat gestutzten, kurzen Vollbart verborgen, trotzdem kam ihm die Mimik bekannt vor.
»Du siehst gut aus, Sean.«
Das hatte er vor wenigen Minuten schon einmal gehört. Diesmal hatten die Worte eine ganz andere Wirkung. Sein Rücken drückte sich automatisch durch, er zog die leicht nach vorn gesunkenen Schultern zurück und präsentierte sich von seiner besten Seite. Er fühlte ein breites Lächeln auf seinem Gesicht. Einzig die innere Unruhe, die mit jeder Sekunde stärker wurde, irritierte ihn.
»Kennen wir uns?«
»Zugegeben, es ist eine Weile her, aber dass du mich völlig aus deinem Gedächtnis gestrichen hast, schmerzt.«
Der Typ legte eine Hand über sein Herz und sah ihn gequält an. Sean hingegen konnte nur den Siegelring am Finger des Mannes anstarren. Wie ein elektrischer Schlag traf ihn das Erkennen.
»Caleb«, war alles, was ihm über die Lippen kam.
Einen Moment später fand er sich in einer kräftigen Umarmung wieder. Caleb klopfte ihm erfreut auf die Schultern, und sein Duft stieg in Seans Nase.
Eine Weile sahen sie sich schweigend an. Wie lange war das her - zehn, fünfzehn Jahre?
»Siebzehn«, sagte Caleb, der scheinbar noch immer seine Gedanken lesen konnte.
»Du hast dich sehr verändert«, brachte Sean hervor. Eine Sintflut an Erinnerungen brach über ihn herein und machte ihn fast schwindlig.
»Wir waren damals Kinder«, lachte Caleb. »Natürlich haben wir uns verändert. Was ist nun mit dem Whisky?«
Wie in Trance setzte Sean sich in Bewegung. In seinem Kopf herrschte ein einziges Chaos.
Vor siebzehn Jahren hatten er und Caleb die letzten Ferien gemeinsam auf dem Landsitz der Familie MacKenzie verbracht. Sie waren tagelang durch die Highlands gestreift, hatten gezeltet, Lagerfeuer gemacht, sich Geschichten erzählt, über ihre Pläne gesprochen. Sie waren beste Freunde gewesen. Es waren ausgelassene vier Wochen und eine Zeit, die Seans Leben grundlegend verändert hatte.
Plötzlich war er wieder neunzehn.
Er spürte das Stroh, das ihm unangenehm in den Rücken stach, sah Calebs Körper im Mondschein schimmern und roch seinen herben männlichen Duft. Sie hatten gerauft und wie so oft war Sean unterlegen, obwohl er körperlich besser in Form war. Seine Muskeln waren kräftiger und ausgeprägter. Gegen Calebs schmächtigen Körperbau sah er wie ein Bodybuilder aus. Und doch machte er die mangelnde Kraft durch trickreiche, nicht ganz faire Technik wett
.
Jetzt saß er auf Seans Hüften, seine Hände umschlossen seine Handgelenke und drückten sie zu Boden. Das triumphierende Grinsen ließ Seans Herz rasen. Diese wundervollen nachtschwarzen Augen glitten über seine nackte Brust und Calebs Stimme klang wie eine Verheißung
.
»Gib dich geschlagen, Rotrock. Gegen einen echten Schotten kommst du nicht an.«
»Nur weil du nicht fair kämpfst«, protestierte er und versuchte, Caleb von sich zu werfen. Doch seine Bemühungen waren halbherzig. Er genoss es viel zu sehr, in der Gewalt des Freundes zu sein
.
Wie aus dem Nichts jagte Verlangen durch seinen Körper
.
Caleb beugte sich herab und sah ihm tief in die Augen. Sein Blick war nicht mehr triumphierend, sondern skeptisch. Der Griff um seine Handgelenke wurde fester, schmerzhaft. Caleb drückte seinen Hintern auf seine Lenden und beobachtete seine Reaktion aufmerksam. Sean knurrte und sog hektisch Luft in seine Lungen. Caleb schien ihn ewig zu mustern, und er konnte und wollte sich nicht wehren. Zu verwirrend war das, was er fühlte
.
Da berührten Calebs Lippen die seinen. Es war ein sanftes und zögerliches Testen. Eine Sekunde später sah er ihn wieder
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