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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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riesige Heilige Herz Jesu empfing Wellen glatzköpfiger Herren im Vestibül mit dem dienstbeflissenen Lächeln eines Haushofmeisters, sein Onkel und er schleppten sich am Ende einander umarmend nach Hause, grüßten alle Welt, pinkelten an jeden Laternenpfahl, stotterten Märsche, brummelten unisono FREI-HEIT FREI-HEIT FREI-HEIT, Odete schaute uns auf dem Bastteppich mit offenem Mund an, ohne auf das Hallo zu antworten, das keiner von uns zu ihr sagte, Reg dich nicht auf, Mädchen, riet patriotisch mein Onkel, nieder mit dem Faschismus und der Unterdrückung, Dona Isaura schnarchte in den Bettüchern, ein triumphierender Sprecher verkündete im Radio den vollständigen Sieg der Bewegung der Streitkräfte, sie ließen sich mit offenem Hosenstall und heraushängendem Hemdzipfel ins Sofa neben das Wachstischtuch fallen, und als sie die schmerzenden, roten Augen schlossen, Herr Hauptmann, da begann in meinem Kopf ein Wirbel aus Nutten und Militärs zu kreisen, rief mich, beschuldigte mich, beschimpfte mich, bis ich nach drei oder vier Furzen oder Schluckaufs oder Rülpsern, mit Verlaub, einschlief.

2
    Das Telefon klingelte, und wenige Augenblicke später bewegte sich der Arm des Oberstleutnants im Dunkeln, tastete die körnige Haut der Auslegeware auf der Suche nach dem Hörer ab: die Finger stolperten über einen Pantoffel, eine Kabelspirale, ein heruntergefallenes Buch, das in der Dunkelheit wie eine offene, Buchstaben blutende Wunde dalag: das Geräusch fuhr gleichgültig, mit mechanischer Beharrlichkeit fort, blassere Streifen schienen blau durch die Ritzen der Rolläden, man erkannte die plattgedrückten Umrisse der Möbel, die sich ballten und ausliefen wie Meereswellen, das metallische Herz der Uhr schlug fein und ängstlich in den kurzen, rhythmischen Schweigemomenten der Klingel, die Handfläche fand schließlich die Oberfläche aus poliertem Plastik, er hob sie bis zum Mund und hörte sich durch übereinanderliegende Vorhänge aus Spucke und Bronchitis Ja, bitte grummeln.
    – Artur?
    Die Dunkelheit duftete nach dem brünetten Körper der Putzfrau, nach der dichten, heftigen Mischung aus Schweiß und billigem Kölnischwasser, aus dem sie bestand, weiche Seufzer krochen immer noch über das Kopfkissen, sie richtete auf dem Rand der Matratze sitzend ihr Haar und lachte: das Stimmchen ließ im schwindligen Trichter des Ohres nervtötend und zögernd wie ein kleiner lästiger Hund nicht locker:
    – Artur?
    Ein Lastwagen fuhr auf der Straße vorbei, und unter der Bettdecke bewegte sich der Oberstleutnant unruhig, von so vielen Geräuschen gestört, die ihn schubsten und an ihm zogen, seine Glieder vierteilten, ihm die Eingeweide zerschnitten. Er stützte,
noch immer durcheinander, die andere Wange auf den Kopfkissenbezug, die Knochen seines Gesichtes versanken hingerissen im Schaum der Füllung, und da war wieder das Atmen in seinem Ohr, die Bangigkeit des Stimmchens, das ihn mit seiner ängstlichen Eile wie ein Frettchen verfolgte:
    – Artur? Ich bin’s, Ricardo, ich rufe dich aus dem Verteidigungsministerium an. (Man konnte Geräusche, Husten, Befehle, hastige Schritte, Diskussionen erahnen.) Ein paar Blödmänner spielen gerade Revolution, und du mußt so schnell wie möglich zu deiner Einheit, sie zurechtweisen, zur Ordnung rufen: Wir können uns Abenteuer dieser Art nicht leisten.
    Der Oberstleutnant sog den dicken Duft der Putzfrau ein, der sich langsam von der Wäsche löste und in festen Voluten aus Fleisch um sich selber kreiste, bewegte sich wieder, lehnte den Nacken an die Kopfstütze und verabschiedete sich von der Angestellten, die ihm, während sie die Strickjacke zuknöpfte, von der Tür her fröhlich winkte:
    – Bis später, Schatzi.
    – Wie bitte? fragte Oberst Ricardo verblüfft.
    – Nichts, kümmere dich nicht darum, ich habe Selbstgespräche geführt, murmelte er eilig. Wieviel Uhr ist es?
    – Beinahe vier Uhr. Der Staatssekretär sagt, wir hätten keine Zeit zu verlieren, daß wir diesen Haufen kleiner Jungs im guten oder im bösen wieder zum Spuren bringen müssen, bevor irgendein Blödsinn, ein mögliches Ärgernis passiert, das nicht diskret wieder aus der Welt geschafft werden kann. Deine Kaserne kontrolliert eine Einfahrt nach Lissabon von Norden aus, es reichen ein halbes Dutzend Kampfwagen hier und dort, ein paar Dutzend vertrauenswürdige, fähige Leute. Du mußt dein Prestige bei den jüngeren Offizieren ins Spiel bringen, und ich brauche ja nicht extra zu betonen, daß wir auf

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