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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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verschnittenen Alkohol der Bars auskotzten und dabei mit kraftloser Hand die Krawatte hielten. In solchen Augenblicken, in diesen dichten, galligen, bitteren farblosen Morgenstunden, erlangte jenes Universum morschen Hausrats, gräßlicher Stilleben und Resopalmöbel meiner Eltern im Gegensatz zur Menge der Perserteppiche, der Kristall- und Silbergegenstände, der Konsolen aus dem achtzehnten Jahrhundert die herzzerreißende Realität von etwas Kostbarem, das auf idiotische Weise verlorengegangen war. Ich könnte noch in meinem Jungenzimmer schlafen, während
der Mahlzeiten das drohende, bittere Schweigen meines Vaters erleben, den aufeinanderfolgenden und stets kurzsichtigen Verehrern meiner Schwester vorgestellt werden, schüchternen Deutschlehrern, erloschenen Ingenieuren aus Amtsstuben, mageren Stadtveterinären, Schöpfern einer neuen transzendenten Methode künstlicher Befruchtung von weiblichen Nilpferden, könnte nachts Wirtschaftswissenschaften büffeln, die Nachbarin vom Erdgeschoß rechts verführen, die als Krankenschwester in einer Klinik für Mongoloide arbeitete, kurz, ich könnte, in einem bekannten Alltag ohne Überraschungen verankert, relativ glücklich sein und nach dem Tod der Alten, hören Sie, meinerseits unter dem Messingkruzifix ihr prätentiöses schwarzes Bett belegen, dessen Sprungfedern bei jeder schläfrigen Bewegung meines Körpers quietschen.
    – Wie ist Brasilien, Herr Leutnant? fragte der Soldat. Ich bin bislang nicht weiter gekommen als bis nach Badajoz, wohin ich mit dem Lastwagen eine Schlafzimmereinrichtung gebracht habe.
    – Jetzt ist es wirklich soweit, flüsterte die Schwiegermutter mit einem schutzlosen, zerbrechlichen Glasstimmchen, jetzt werden sie uns alle erschießen: sie haben eine Kaserne bombardiert, und Jeeps voller finsterster Soldaten fahren rum und nehmen die Leute in ihren Häusern fest.
    Ganz früh am Morgen, wie in den Romanen, dachte der Leutnant, während er schnell einen Koffer mit Kleidung füllte, aus dem Augenwinkel zusah, wie Inês in Raserei Schränke öffnete, Schubladen auskippte, den Schmuck unordentlich zwischen Blusen, Röcken, den Plastiktüten mit den Schuhen und Marianas Strickjäckchen verteilte. Jetzt ist es soweit: die Tür wurde mit Gewehrkolbenhieben aufgebrochen, ein Strudel düsterer, wilder Gesichter, Löcher mit den schwarzen Pupillen von Maschinenpistolen und Gewehren auf uns gerichtet, ein Feldwebel, der sie mit der Pistole die Treppe hinunter zu einem am Bürgersteig geparkten Lastwagen des Heeres trieb, die Kühle um fünf oder sechs Uhr auf der mit Gänsehaut überzogenen Haut des Halses,
ebenfalls gefangengenommene Unbekannte, die auf die nächste Erschießung warteten, die eiskalten Hinterbacken zur Seite rückten, um uns Platz zu machen, die Straßen der Stadt, die in einem Riß des Segeltuchs rückwärts flohen, immer weniger Häuser, und jetzt Bäume, der ziegelfarbene Fluß, im Schlick am Ufer ankernde Boote, wurmstichige Holzkonstruktionen, der Lastwagen bremste plötzlich, die zornige Stimme des Feldwebels, Raus da, aber schnell, ich sprang mit Mariana auf dem Arm auf den nassen Teerbelag der Straße, eine alte Frau klammerte sich an den Ärmel eines sehr bleichen Mannes, das Skelett der Brücke von Vila Franca de Xira tauchte hin und wieder aus dem Nebel auf wie große, spitze, in den grünlichen Olivenölhimmel gefügte Eisenellenbogen, sie stiegen, auf dem Gras glitschend, einen rutschigen Hang hinunter, die Feuchtigkeit erschwerte ihre Bewegungen, und der übelkeiterregende Geruch des stehenden Wassers stieg in Dampfrollen in die farblose Luft auf, Jetzt ist es soweit, dachte er wieder, als sie sie Schulter an Schulter vor den neutralen, abwesenden Gesichtern der Soldaten ohne Augenlider, ohne Nase, ohne Kinn in Reih und Glied aufstellten, Mariana spielte mit seinem Goldkettchen, Inês schwankte auf weichen Beinen, am anderen Ufer beugten sich zwei Männer zu einem kleinen Motorboot hinunter, das, von der Entfernung und vom Nebel gedämpft, hustete und verstummte, der Feldwebel stellte sich zwischen die Soldaten und sie, zählte sie, sah sie sich genau an, zählte sie noch einmal, Sie werden uns alle erschießen, dachte der Leutnant, und er erinnerte sich an den verwirrten Gesichtsausdruck seiner Mutter, als sie ihm den Hörer hinstreckte, Es ist für dich, der Feldwebel trat zwei Schritte zurück, sagte, Feuer, die Menschen fielen auf den Bauch oder auf die Seite hilflos in den Schlamm, kleine, kackfarbene Vögel

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