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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Mißverständnis, ich bin Offizier des portugiesischen Heeres, ich verteidige das Vaterland, Politikkram ödet mich an, ich habe schon genug Vergnügungen. Ich Mitglied einer Terroristenbande, einer gegen die Regierung der Nation, gegen das Vaterland bewaffneten Gruppe? Um Gottes willen, so ein Unsinn, das kann nur ein Witz oder böswillig gemeint sein. Er wusch Olavos Glas in der Küche ab, stellte es zu den anderen Gläsern in den Schrank. Dann atmete er tief durch (Auf geht’s), knöpfte die Jacke zu und begab sich zum Treppenabsatz: die Stadt sah weiterhin harmlos, neutral und friedlich aus wie immer.
    – Ein Jahr und noch was habe ich im Untergrund gekämpft, bis sie mich in den Knast geworfen haben, Herr Hauptmann, sagte er zu mir. Mit der Revolution bin ich wieder rausgekommen.
    Er leckte den Sahnecremelöffel von beiden Seiten sorgfältig ab:
    – Olavo trieb sich damals in Marseille herum und kaufte Granaten von den Libanesen, ich habe erst sehr viel später erfahren, daß ich in der Wohnung seiner Mutter gewesen war, daß die Dicke mit dem Mittelscheitel seine Alte war: was für Idealisten, Herr Hauptmann, die Polizei hat sich über uns wahrscheinlich totgelacht.
    Die Frau begann ihn wieder zu lecken und langsam die Brust des Leutnants zu küssen:
    – Mehr, bat sie.

4
    Der ausgerenkte Körper des Maschinengewehrschützen, der quer über seinem lag, so nah am Gesicht, daß er dessen stinkigen Todesgeruch spürte, machte langsam dem Bein der Frau auf seinem Bein Platz, dem glatten Bauch gegen seine schwitzende Flanke (Ich muß hier raus, dachte er voller Angst, ich muß, verdammt noch mal, den Funker finden, um inmitten des Lärms und des Geschreis in Mueda anzurufen), dem Gesicht des auf seiner Schulter eingeschlafenen Kopfes, das ihm den Hals mit zartem ruhigem Atem verbrannte. Während er aufwachte, wurden die Bäume zu Wänden und Möbeln, der Grasboden verwandelte sich in den eingerollten Frieden der Bettücher, der Abend von Lissabon ersetzte den Morgen in Mosambik, die Hupen der Autos auf der Straße stiegen aus den Klagen der auf dem Teppichboden, inmitten der Unordnung der Wohnung und den Pantoffeln der Frau wahllos verteilten Verwundeten auf. Der Leutnant entzog sich dem Knie, das ihm die Schenkel zerquetschte, und ging in die Küche, um seinen Nacken unter dem Hahn der Spüle naß zu machen, dessen Wasserstrahl nicht aus dem gebogenen Metallrohr, sondern aus der Kehle des Typs vom Mörser kam, die von einem Granatsplitter zerstört war und stoßweise eine dunkle Flüssigkeit herausgurgelte. Er schaute nach links auf den Stapel dreckiger Teller und auf die an eine Hakenreihe gehängten gewürfelten Tücher, und sein Herz wurde gelassener, ruhiger, langsamer: Ich bin in der Rua da Mãe-d’Água, ich bin zu Hause, die Dame mit dem Spazierstock steigt, zwei blinde Hündinnen an einem Strick hinter sich herziehend, wie üblich langsam die Treppe vom Brunnen zum Príncipe-Real-Park hinauf. Er kratzte sich, auf den Fliesen stehend, die Lenden, spürte, wie die Kälte des Porzellans in seinen Adern hinaufkletterte,
Was für ein Alptraum, Scheiße, ich bin vor über einem Monat zurückgekommen, morgen habe ich eine wichtige Versammlung in der Bank, merkwürdig, wie das Grauen sich klebrig im Gedächtnis festsetzt. Er steckte eine Zigarette mit einem Streichholz aus der großen Schachtel für den Ofen an, nahm den Aschenbecher, in dem sich die vom Öffner geknickten Kronenkorken von Bierflaschen häuften, legte sich wieder neben den üppigen Körper der Frau, die aus dem geöffneten Mund einen zusammenhanglosen Satz ausstieß, wie eine Kröte mit schlaffem Schwung den Ellenbogen vor- und zurückbewegte und ihm dann den Arm, ohne mit dem Schlafen aufzuhören, wie das Ruder eines ankernden Schiffes auf die Schulter legte.
    – Vielleicht hätte ich damals in Afrika bleiben sollen, erzählte mir der Leutnant. Vor der Revolution und der Unabhängigkeit und bevor die Russen das alles übernahmen, selbstverständlich: ich habe nämlich ewig gebraucht, wieder in Lissabon heimisch zu werden, Herr Hauptmann.
    Den Hinterkopf an das Kopfteil des Bettes gelehnt und während der Rauch zwischen seinen Fingern aufstieg, gewöhnte er sich verblüfft an die vertrauten Gegenstände, ebenso wie an einer Thrombose Erkrankte das bereits bekannte, vergessene Vokabular Silbe für Silbe wieder erlernen: dieses Bild, dieser Nippesgegenstand, dieses Gemälde, dieses Tier, den Dingen fehlte und zugleich besaßen sie eine

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