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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Vergangenheit, die mühsam in einer Art komplizierter Archäologie der Gefühle wieder rekonstruiert werden mußte. Auch die Stadt hatte sich während seiner Abwesenheit verändert und war gleich geblieben, und er bewegte sich in einer Pappmachészenerie, die der Wirklichkeit, die sie verloren hatte, aufs Haar glich und doch auf subtile Weise anders war und in der maskierte Schauspieler mit mehr angemalten grauen Strähnen und mehr mit Bleistift gezeichneten Falten auf den Wangen die Freunde von vor drei Jahren darstellten, als der Krieg nur eine vage Drohung in den Nachrichten der Zeitungen war, Verstümmelte, Tote, Ordensverleihungen, über die Maßen glorreiche
Siege. Die Frau bewegte sich kaum merklich auf dem Bettuch wie eine Schildkröte auf dem Grund eines Aquariums, ihr Schamhügel streifte seinen Bauchnabel mit dem gekräuselten Busch, den der Enthaarungsapparat jeden Sommer stutzte, und der Leutnant legte die Kippe ab und begann sanft, diesen ruhenden Igel zu liebkosen, der ihm mit den zarten Membranen seines Mundes die Finger leckte. Im Fenster wurde es Abend, der Lampenballon schaukelte langsam, ging hinter dem geometrischen Schatten des Tisches auf wie ein Mond, das Lächeln der im Zimmer verteilten Rahmen zog sich mit der verschreckten Hast von Vögeln hinter das Glas zurück. Er ließ die Handfläche über den Bauch von Inês bis zur Rundung der Brüste gleiten, unterstrich mit der Zunge die Meeresschnecke des Ohres (Ich höre das Meer in deinen Ohren so gut), eine leere Flasche rollte auf den Boden, erschreckte damit die Gasmargarite des Boilers in ihrem kleinen Emaillefenster, die Sicheln von Fingernägeln hakten sich in seine Nieren, die Hoden schrumpften in der Tasche der Haut, er schob die Beine der Frau mit den Fersen weg, der Nachbar von gegenüber unterhielt sich, einen Pekinesen im Arm, schreiend vom Balkon zur Straße hinunter, und indem er den Rhythmus der Stimme wie ein Surfer eine gute Welle nutzte, sauste er in einem Gischtwirbel zum Ufer des Orgasmus.
    – Einen Pekinesen im Arm, Herr Leutnant? fragte der Soldat beunruhigt, dem Tresterschnaps gegenüber gleichgültig, ein Pekinese in der Rua da Mãe-d’Água?
    – Ich kannte sie überhaupt nicht, sie waren erst vor ein paar Monaten dort eingezogen, entgegnete der Leutnant. Ein schwuler Maler und sein schwarzer Geliebter aus dem Senegal, der Französisch plapperte und dabei über die Worte stolperte. Das Viertel war im Nu voller Homos.
    Als er bäuchlings auf dem Sand des Kopfkissenbezuges strandete wie die Leiche einer Möwe, der sich das Wasser in träger Langsamkeit nähert und wieder von ihr abrückt (jetzt keine Schüsse mehr, keine Klagen, nur der dichte, ölige Frieden, der
den Hinterhalten folgte), schwankte der Papiermond sanft in der Dunkelheit über den Möbelflecken, der Heuschnupfen des Telefons nieste in der Zimmerecke, rief sie mit beharrlicher, unerbittlicher mechanischer Grausamkeit. Er suchte blindlings nach dem Lichtschalter (Ich werde ein Buch, eine Figur, irgendein Scheißporzellanstück nehmen, eine der tausend kostbaren Scherben, mit denen du dich umgibst), die Lichter draußen zitterten in Kreisen an der Decke, Rosetten aufeinanderfolgender blasser Ringe, die an der grauen Wand heller waren, er zog an der Kordel, und mein nackter, schutzloser Körper lag unvermittelt auf dem Bett wie auf einem Obduktionstisch, daneben ebenfalls reglos ein weiterer Körper, der grummelnd ins Kopfkissen protestierte: Sie ist verletzt, dachte der Leutnant, ich werde den Hubschrauber aus dem Krankenhaus in Mueda anfordern, und er ging mit welk schaukelndem Penis über den Pfad der Auslegeware, wobei er versuchte, Minen in den Unebenheiten des Bodens zu erraten, zum Telefon, das sich in Kolikenwut wand und schüttelte. Er hockte sich, die Waffe unsichtbar auf den Knien, hin, hob den Hörer ab (zwanzig Minuten, halbe Stunde, toc toc toc toc toc toc toc toc toc über den Büschen), und die unangenehme, maskuline Stimme der Schwiegermutter durchbohrte ihm den Schädel wie ein glühendes Stilett:
    – Mit wem spreche ich?
    – Das war immer so, Herr Hauptmann, beklagte sich der Leutnant, indem er sich, ohne um Erlaubnis zu bitten, eine von meinen Zigaretten nahm. Wir liebten uns gerade oder hatten gerade damit aufgehört, und die Alte, die das erraten zu haben schien, rief bei mir zu Haus an, um meinen Genuß zu unterbrechen, mir auf die Eier zu gehen. Sie hat voriges Jahr mit einem Bauchspeicheldrüsenkrebs den Löffel abgegeben, und der

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