Fado Alexandrino
Olavo, als hätte er ihn vor fünf Minuten zuletzt gesehen, genauso beiläufig, als würde er fragen, Wie ist der Verkehr in der Baixa? Im Grunde scheißen sie auf mich, dachte der Funker: sie haben mich gebraucht, weil ich für sie nützlich war, und wenn ich ihnen nicht mehr nütze, geben sie mir ein Flugticket nach Brüssel, damit ich dort Emigranten bekehre, den Bauarbeitern Mao-Sätze zuschreie.
– Da stirbt man, antwortete er vorsichtig, während er eine Rose aus Spitze in einer Vase liebkoste, die einen weiblichen Arm nachahmte. (Was für ein Blödmann wohnt bloß in diesem Basar?) Da stirbt man viel, fügte er vorwurfsvoll hinzu, ich habe schon geglaubt, man würde sich nicht an mich erinnern: ich bin vor fast drei Wochen angekommen, Mann.
Olavo schenkte sich noch einen Anislikör ein und lächelte ihn an: nichts in seinen Gesten deutete auf Eile oder Ironie hin:
– Die üblichen Vorsichtsmaßnahmen, du weißt doch, wie das ist. Die Pide ist nervös geworden, im letzten Monat haben sie eine gesamte Zelle der Kommunistischen Partei hochgehen lassen: zwölf Männer, Funkausrüstung, Papiere, Unterlagen, die mindestens fünf Jahre Arbeit zunichte machen. Und wenn sie in der Partei fündig geworden sind, werden sie uns noch leichter hochgehen lassen.
Der Schwiegersohn trocknete ihm das Gesicht, indem er ihm seinen nach amerikanischem Tabak stinkenden Atem ins Ohr hauchte, und die Gegenstände wurden allmählich deutlicher sichtbar. Der Oberstleutnant betrachtete im Spiegel überrascht seine in Unordnung geratenen Gesichtszüge: Ich bin über das Alter für Jugendorgien hinaus, dachte er, über die Zeit, die Schmerzen der Seele im ersten sich bietenden Flaschenhals zu ertränken.
Der Körper des Leutnants schüttelte sich drei- oder viermal in immer schwächer werdenden Impulsen und landete auf den Bettüchern wie ein kaputter Motor oder ein Schiffbrüchiger am Strand: Inês, die in Fötusstellung auf seinem Bauch hockte, saugte weiter mit eingedellten Wangen an ihm, berührte mit der Fingerspitze sein Perineum, und das Begehren begann wieder ganz langsam in ihm aufzusteigen, verwandelte sein Blut in einen Schaum erregter Bläschen. Olavo stellte das Glas ab und maß den Funker mit kleinen, forschenden Augen:
– Wir führen den Kampf wie gehabt weiter, verstehst du. Sie haben keine einzige Zelle zerschlagen, und wir sind sicher, daß es unter den Sympathisanten keine Eingeschleusten gibt. (Wer kann denn so was von sich behaupten? dachte der Funker. Geh und erzähl das jemand anderem, ich jedenfalls bin schon genauso lange dabei wie du.) Wir werden nichts Großes machen, aber das ganz leise, auf die sichere Tour: Indoktrinierung der Basis, Ausbildung von Funktionären, feste Verankerung in der Arbeiterklasse, ein paar mutige kleine Aktionen und Sammeln von Daten. Und über letzteres soll ich übrigens mit dir reden.
– Sind Sie abergläubisch, Herr Hauptmann? fragte der Soldat, indem er sich über den Tisch beugte und mit der abgrundtief häßlichen Krawatte über eine leere Flasche strich. (Er ist betrunken, dachte ich, die Scheiße an diesen Bataillonsabendessen ist, daß am Ende alle abgefüllt sind: wie viele Schlauberger habe ich schon sternhagelvoll nach Hause gefahren, die gesungen, gebrüllt, sich auf der Rückbank bepißt haben, überschwenglich, nervtötend, unerträglich waren?)
Der Gesichtsausdruck des Soldaten wurde vertraulich, brüderlich, ölig, komplizenhaft, wobei der Alkohol die kilometerweite Respektsentfernung auflöste.
– Vergessen Sie es, räumte er ein. In zehn Jahren wird sich bei der Geschwindigkeit, mit der wir altern, keiner von uns mehr auf den Beinen halten können.
– Die Politische Kommission des ständigen Rates, gab Olavo zur Kenntnis, der jetzt mit übergeschlagenen Beinen auf einem gräßlichen Korbsofa saß und stolz seine ungeputzten Schuhe zeigte, hat beschlossen, daß du im Namen der höchsten Interessen des Proletariats beim Militär bleibst, und hat dir einen Posten im Sekretariat des Heeresministeriums beschafft. Wir müssen aktive Genossen aus dem Krieg retten, wir brauchen vertrauenswürdige Revolutionäre im Inneren der Maschinerie, die ihre Ohren aufsperren und deren Mund im rechten Augenblick zu singen weiß.
Er betrachtete hingerissen seine Ausverkaufsschuhe, band pingelig einen aufgegangenen Schnürsenkel zu: Dieser Kerl hat tatsächlich eine echte Notarsseele, sagte sich der Funker, er redet mit mir mit der arroganten Selbstzufriedenheit eines
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