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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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vor, die die Rahmen mit den schiefen Absätzen ihrer Schuhe zertrümmerte.)
    – Wir haben wie die Pferde geackert, erzählte der Soldat, und das Unternehmen blühte. Wenn mein Onkel nicht so sehr an den alten Methoden gehangen hätte, wären wir heute reich.
    – Sind Sie noch dran, Jorge? fragte die Schwiegermutter zögernd. Warum kommt Inês nicht ans Telefon?
    Der Leutnant zog die Leitung bis zum Bett, setzte sich auf die Matratze, hielt dem Mädchen den Hörer hin: Spinne zwei ruft Patin, Spinne zwei ruft Patin, Pfiffe, Kreischen, Krächzen, und ein beschlagener, matter Atem antwortete von den Antipoden: Hier Patin, hier Patin, over, Stop.
    – Ja? sagte Inês, reckte sich dabei und bat mit dem Zeigefinger um eine angesteckte Zigarette. Mutter?
    Der Leutnant küßte ihre Knie, die Schenkel, den Bauchnabel, legte den Kopf am Halsansatz auf ihre Brust und schloß die Augen: Ich habe dich gerade kennengelernt, wir rennen Hand in Hand den Strand entlang, ich gehe im April zum Militär. Hör, wie sich die Wellen an der Mauer brechen, Gelächter, Schreie, kurzes, schnelles, nur Augenblicke dauerndes Kreischen von Vögeln, der Kampf, dir im Kiefernwäldchen den Rock hochzuschieben, dir die Unterhosen auszuziehen, die Tannennadeln und die kleinen Zweige marterten mir die Beine, die Ellenbogen, die Rippen, in meinem Hemd reisten Ameisen hin und her, der Büstenhalter riß (Nun guck dir das bloß an nun guck dir das bloß an und jetzt?), ich biß in ihre Ohren, ihr Haar, in die zitternde Rundung der Schultern (Du Mistkerl hör auf ich will nicht mehr laß mich los) und der kleine Blutfleck auf der Erde, deine Tränen, ich, die Hände in den Taschen, völlig durcheinander an einen Eukalyptus
gelehnt (Ehrlich ich liebe dich ich heirate dich weine nicht), und du schluchztest bäuchlings auf dem Boden, die Beine noch gespreizt.
    – Nein, Mutter, es geht mir bestens, sagte Inês, während sie mit den Blicken den Aschenbecher suchte, und sie drehte sich in den Bettüchern um, dem Leutnant den Rücken zu und bot ihm die prallen, festen Ballons ihrer Hinterbacken dar. (Das Mädchen wehrte sich in seiner Erinnerung immer noch, und er dachte, Vier Jahre, verdammt, wie die Zeit vergeht.)
    – Mein Onkel wollte nie, daß in der Firma etwas verändert wurde, Herr Hauptmann, erklärte der Soldat, indem er sich auf dem Stuhl zurücklehnte und eine neue Flasche bestellte. Und wer in der Umzugsbranche nicht modernisiert, hat bald nichts mehr zu melden.
    – Die üblichen läppischen Gespräche, beklagte sich der Leutnant, stundenlang hingen sie am Telefon und flüsterten sich Schwachsinn zu, verabredeten sich zum Canastaspielen, klagten über Intrigen.
    – Abendessen heute bei Ihnen? fragte Inês, die reglos wie ein Fötus das Kopfkissen umfangen hielt. (Die Vehemenz des Lichts löschte ihre Grate, Ausbuchtungen und Ecken, machte sie zu einer rosigen, in den Decken treibenden Substanz, die sich wie ein verdauender Darm zusammenzog und dehnte.) Natürlich wollen wir, wir haben keine andere Verabredung.
    – Und dann ständig dort essen, fuhr der Leutnant fort, jeden Abend von Lissabon nach Carcavelos und von Carcavelos nach Lissabon, und ich stocksauer über diese Scheiße, Herr Hauptmann, ich habe die Uferstraße Zentimeter für Zentimeter im Kopf.
    Das riesige Haus mitten im ungepflegten Garten, Schäferhunde, die um das Auto herumsprangen, ihre riesigen Schnauzen an die Fensterscheiben legten, die Lefzen über den spitzen Zähnen zurückzogen, die Pfoten auf die Motorhaube stellten, in einem grotesken Ballett von Rücken, Schwänzen und rötlichen, glitzernden
Pupillen in der Fontäne der Scheinwerfer erschienen und wieder daraus verschwanden (Aus, Roy, aus, Bazooka, aus, Bruce), die unglaubliche Flucht von Sälen, Korridoren, Zimmern, Kabuffs, Treppen, die Büsten des Großvaters an jeder Ecke, die Bilder des Großvaters überall, der übermäßige Luxus der Möbel, die Schwager und Schwägerinnen, die sich in der vom Rauch verbrauchten Luft wie Fische schlängelnd bewegten, die Schwiegermutter, die vor dem laufenden Fernseher strickte, ihr stiller, nebensächlicher Mann blätterte leise in Zeitschriften, steckte die Brille in die Tasche, streifte in resignierter Vasallendemut umher.
    – Nach dem Kampffraß Langustensuppe, Brotbrei mit Meerestieren, Leinentischtücher, Silberbesteck, beschrieb der Leutnant. Sie wissen doch, was ich meine, Herr Hauptmann? Ich mußte mich immer daran erinnern, daß mein Vater erster Offizier war, um

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