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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Fleck der Mouraria, die Praça da Figueira und, aus dem Krustentierkörper des Platzes wachsend wie die langen Beine und Fühler von Langusten, die geometrischen Straßen hinunter zum Fluß, traurige, von Maschenaufnehmerinnen und Französischnachhilfelehrerinnen bewohnte Fenstersärge, der bereits dunkle, von zarten schwarzen Luftschlangenstreifen durchzogene Himmel faltete und entfaltete sich wie ein atmender Kiemen, rechts abbiegen, links abbiegen und wieder geradeaus, hundert Erdbeben, hundert Revolutionen, hundert Bürgerkriege, dachte der Soldat, und diese Scheiße bleibt immer dieselbe Scheiße, verdammt, die Puppen in den Schaufenstern starren aus ovalen Augenhöhlen auf die Spiegelung ihrer selbst, glatzköpfige Frauen, Männer mit zu preziösen Gesten gebeugten Ellenbogen, amputierte Beine in schwarzen Strümpfen mit Blümchen, Krawatten, Manschettenknöpfe, Aalgürtel, Schuhe und Pantoffeln auf Plastiksäulen oder verchromten Sockeln, keine Invasion von Marsmenschen, kein Meteoritenhagel, keine zweihundert Atombomben, Scheiß auch, Balkone ohne Licht, Schilder von Zollagenten und Fußpflegerinnen, der Bahnhof am Rossio schluckte und erbrach dort hinten Menschenmassen, Banken und Kreditinstitute schlossen sich begierig wie Fäuste um Weidenkörbe voll herbstlicher Zwanzigescudoscheine, Autobusse wackelten wie rennende dicke Herren, senkrecht von mir stieß eine Straßenbahn silberne Funken aus, der Bogen der Rua Augusta und unvermittelt die quadratische Weite des Terreiro do Paço, melancholische Ministerien wie laizistische Klöster, in denen Wächter und Bürodiener vor sich hin dösten, der pestilenzialische Geruch des Wassers (Du nimmst am späten Nachmittag die Fähre), die Schiffsschraube, die den lauwarmen Gallert des Tejo durchrührte, der nächtliche Wind des Flusses und sein Geruch nach verwester Leiche, nach Friedhof, nach Eingeweiden, Was soll ich bloß sagen, wenn ich da bin?, zwischen einem Herrn mit offener Zeitung und einer schlechtgekleideten Frau eingeklemmt,
die vor Erschöpfung oder Müdigkeit immer wieder einnickt, sucht er nach Worten, stellt sich Gespräche, böses Blut, Weigerungen, Streitereien vor, auf dem vordersten Sitz flüstern zwei Mädchen miteinander, ohne ihn anzusehen, vermischen ihr Lächeln und ihr Haar, das Schiff legt sich unter tiefem Eingeweidegeräusch einmal zu einer, dann zur anderen Seite, ich läute, Odete oder der Kerl öffnen mir die Tür, und dann? Er fühlt sich steif vor Verlegenheit, ihm brennt der Nacken, er spürt Harndrang, drückt einen angstvollen Furz mit den Hinterbacken zusammen, das Schiffchen beschreibt eine langsame Kurve, bremst ab, das Motorgeräusch ändert Stärke und Klang, viele kleine Wellen schlagen wie Zungen gegen den Rumpf, ein ruckelndes Hin und Her, ein Anstoßen, draußen rollen Seeleute Taue, die ihnen jemand von oben zugeworfen hat, um dicke Eisenpflöcke, die Passagiere erheben sich, gehen über ein schmales Brett auf den Kai, es ist vollkommen dunkel geworden, und der Herr mit der Zeitung und die schlechtgekleidete Frau und die Mädchen mit den vermischten Haaren verschwinden im Strom von Gestalten, die zu den Bushaltestellen eilen, er denkt, Dieses Scheißland wird weiterbestehen, selbst wenn der Planet explodieren würde, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, er zögert, ob er, um Mut zu schöpfen, einen Tresterschnaps in einem nahen Café nehmen soll, in dem ein einziger Kunde mit einem Bart und einem Beutel neben sich auf dem Stuhl ein finsteres Beefsteak kaut, indem er die Backenzähne horizontal gegeneinander verschiebt wie ein Kutschpferd, doch die Fahrer hupen, die Leute steigen gehetzt in die beleuchteten Aquarien aus Blech und Glas, AUF DEN BODEN SPUCKEN VERBOTEN, warnt ein dreckiges Viereck unter der Decke, niedrige Häuschen, anämisches Ödland, das sich im Dunkeln auflöst, Rudel sorgenvoller, klapperdürrer Hunde, Arbeiter auf Mopeds, denen ihre riesigen Helme und ihre Jeanshosen das bizarre Aussehen armer Astronauten verleihen, Ein oder zwei Ohrfeigen haben noch niemandem geschadet, es gibt nichts Besseres als ein paar Tritte in die Eier, um eine Meinungsverschiedenheit
zu bereinigen, wozu hast du denn diesen kräftigen Körper, du Dummkopf?, er lehnt das Ohr an sein Ohr auf der Fensterscheibe, und das Zittern und Vibrieren des Busses schütteln ihm Hirn und Knochen durcheinander, sie kommen an bedeutungslosen, in der beinahe festen Dichte der Nacht untergegangenen Siedlungen vorbei, zerfallene Mauern, eine

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