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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Mund nicht schnell schließe, wenn ich mir nicht vorstellen kann, daß ich allein bin, beißt mir rauh ein salziger Schluchzer den Rachen, die Galle muht wie ein Schiff, das angelegt hat, Ebbenebel läßt es grau vor meinen Augen werden, ich muß mit meiner Hand die Hand des Stummen halten, bis sich die Wangen wie ein Blasebalg zusammenziehen, der Tabak zu leuchten beginnt und rot wird und zwei Rauchrollen ihm in einer Spirale aus der Nase herauskommen, der fette, wabbelige Drogist im Streifenkittel hängt Piassave- und andere Besen und Zöpfe aus Bürsten mit Holzgriff an die Angelhaken im Schaufenster, vielleicht sollte ich wieder eine Vase und eine Blume, vielleicht einen Kalender mit einer nackten Tusse, vielleicht einen Porzellanclown mit riesigen Schuhen, schräg aufgesetztem Hütchen und mikroskopischem Regenschirm hinstellen, um das Büro fröhlicher zu machen, vielleicht
kommen so die Kunden zurück, vielleicht multiplizieren sich so die Aufträge, wir machen das Lager sauber, verkaufen den Dreiradwagen auf dem Schrottplatz, räumen die Möbel auf, ordnen den Karteikasten, malen die grünen Buchstaben an der Fassade neu, Ich muß nackt zum Klo rennen, sagte der Leutnant, Pantoffeln, Schuhe, Wäsche, Zeitschriften zermalmen, die sich unter den Füßen winden und protestieren, mich zum brodelnden Trichter des Toilettenbeckens beugen und wie auf dem Kai von Santos das Meer erbrechen.
    – Wenn man Sie zwingen würde, mit einer Frau wie meiner zusammenzuleben, seufzte der Oberstleutnant, garantiere ich Ihnen, daß Sie jeden Abend das Meer auskotzen würden.
    – Der Alte fragte mich nie etwas über das Geschäft, sagte der Soldat. Seit er mir die Umzüge Ilíio übertragen hatte, sorgte er sich nur darum, am morgigen Tag noch zu leben.
    Falten voller Entsetzen, die olivenölfarbene Panik der Pupillen, weiße Fingernägel, die sich über der Asthmapumpe schließen, die grauen Haare, die wie Schafsborsten aus den nicht gerade sauberen Zwischenräumen des Hemdes hervorschauen: soviel Angst vor dem Tod, soviel Beharrlichkeit weiterzuleben, und irgendwann bist du dann plötzlich blutleer, ohne Gedächtnis, Spucke, Angst, Urin, und dann liegst du mit Krawatte, Weste und geputzten Stiefeln, die wie Kaffeekannen glänzen, in einem Sarg mit Messinggriffen, die Silber imitieren, und der Stumme und ich halten im Wohnzimmer Totenwache bei dir, spielen bei einer Flasche Brandy und einer erloschenen Kerze am Eßtisch Dame. Wochen später wird unvermeidlich meine Schwester auftauchen, noch verwahrloster, noch ungekämmter, noch besiegter, noch häßlicher, mit der üblichen Kindertraube, die an ihr hängt, und dem unvermeidlichen Mulatten mit Sonnenbrille dahinter, und sie wird mit glanzloser, in Elend, Melancholie und Müdigkeit sich auflösender Kompottstimme die Hälfte des Geschäftes verlangen, und ich werde wieder fassungslos denken, Wie du dich verändert hast, verdammt, wie grauenhaft und abstoßend du geworden bist,
und ich werde mich wieder an die Großmutter erinnern, wie sie über ihr Nuttenheer wacht, wütend bellt, mit einem riesigen Löffel in einem Suppentopf herumrührt, Du und deine Schwester und deine Mutter und dein Onkel sind aus derselben Scheiße gemacht, verflucht, aus meiner Fotze ist nur Müll gekommen.
    – Ich will auch ein Uhu sein, verlangte der Funker, der oktopusschläfrig über den Teppichboden robbte.
    – Und wo liegt dein Problem, dich scheiden zu lassen? ärgerte sich die Concierge. Was ist denn das für ein Spiel, das Weib hat dir Hörner aufgesetzt, oder etwa nicht?
    Und tatsächlich starb der Alte, Herr Hauptmann, und sie tauchte drei Tage nach der Beerdigung bei mir im Büro auf mit Dutzenden dreckstarrender Kinder mit dunkler Haut und platter Nase, die sich an die Krampfadern ihrer Beine klammerten (wahrscheinlich dieselben vom letzten Mal, ein paar Jahre zuvor, die von zu vielen Fliegen und zu wenig Nahrung am Wachsen gehindert wurden), gefolgt von einem klapperdürren, unglaublich kleinen Schwarzen in grüner Jacke, blauen Hosen, Fliege mit roten und gelben Punkten am Hals, Sandalen und der Narbe eines mit dem Messer ins üppige Kraushaar geschnittenen Scheitels, Schämst du dich nicht, ein Pack Neger als Urenkel, brüllte die Großmutter, während sie empört die Glut im Herd anfachte, Laßt mich auch Uhu sein, ihr Memmen, bat der Funker, sabbernd auf dem Teppich, laßt mich nur einen kleinen Augenblick Uhu sein, der Arm des Stummen glitt in einer zögernden Ellipse über das

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