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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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nur Traumgespenster, Engel und tote Kinder gab, die mit penetrantem Puppenquieken riefen, und daß alles in einem undefinierbaren Durcheinander schwamm). Er grüßte ältere Damen, die nach leeren Parfümflaschen dufteten, Herren, die doppelte Whiskys wie allerletzte Spazierstöcke hielten, Zahnprothesen, die wie Eiswürfel in Getränken gegeneinanderklickerten, er betrachtete eingehend das Mädchen ohne Schuhe mit ihren hornhäutigen Storchenfüßen und unglaublich dreckigem Kleid, er betrachtete die runden, ausdruckslosen, geistesabwesenden, neutralen Pupillen, den vom Hunger aufgetriebenen Bauch, zog die Streichhölzer aus der Hemdtasche (Seit wie
vielen Ewigkeiten habe ich nicht mehr mit jemandem geschlafen?), reinigte die Schuhsohlen an einem Stein und bot händlermäßig, während er die Nieselregenstille des Busches im Blick behielt:
    – Eintausend.
    – Zum Glück haben sie mich in ein Regiment geschickt, sagte der Oberstleutnant, während er die Stücke eines dritten Zahnstochers parallel zu den anderen aufreihte. Hätten sie mich hinter einen Schreibtisch im Ministerium gesteckt, wäre ich nach einem Monat ausgerastet.
    Er sah die Schwiegermutter auf einem Samtsofa neben einem Wesen mit lila Haar stricken, an deren spindeldürrem Hals eine Kette mit gelben Kugeln wie an einem Haken hing, und er begann durch ein Röhricht aus Fächern, Deckelvasen, Schubladenkommoden, Büsten des Großvaters, Tabletts mit Aperitifs, Ausrufen, Truthahngegluckse, Kinderspielzeugen, Gelächter, Gesprächen auf das Ungeheuer zuzurudern.
    – Eintausend? Der Katechet schlug zutiefst beleidigt mit der Hand auf die Brust. Eintausend? Eintausend, Herr Leutnant? Hast du das Mädchen überhaupt angesehen, Weißer?
    Er drehte sie auf dem Boden aus Erde und zertretenem Gras so heftig um ihre eigene Achse, daß sich die schmalen Glieder des Mädchens ineinander verhedderten wie Spaghetti, er öffnete ihren Mund, um die kurzen, stumpfen, kindlichen Schneidezähne zu zeigen, fuhr mit der Handfläche besitzermäßig über die nicht vorhandenen Hinterbacken und fixierte den Offizier mit beleidigtem Seitenblick:
    – Eintausend für meine Nichte, die Jungfrau ist, Herr Leutnant?
    – Ich wollte um Inês’ Hand bitten, erklärte er stotternd dem Ehepaar, das ihm mit feindlichem, undurchdringlichem Schweigen zuhörte.
    Die Schwiegermutter reichte ihm die zerstreute Wange, das Skelett mit dem lila Haar streckte ihm die Übertreibung ihrer
Ringe zum Küssen hin, deren Steine das Licht so intensiv reflektierten wie die Paillettenjacken der Weißclowns. Bassets verschwanden im Galopp unter den Sesseln, ein sommersprossiger Junge, der neben einem Pipifleck breit auf dem Teppich hockte, zertrümmerte hämmernd ein Blechauto.
    – Eintausendfünfhundert und eine Fünfliterflasche Schnaps, bot der Leutnant an, während er spürte, wie sein Penis unangenehm in der Hose anschwoll: Seit wie vielen Ewigkeiten habe ich den Vogel nicht mehr zwitschern lassen, versuchte er im Kopf auszurechnen: Sieben, acht, neun?
    – Ich mußte Leute sehen, atmen, erklärte der Oberstleutnant, indem er mit dem kleinen Finger die Lage eines der Hölzchen korrigierte. Ich war nie ein Mann für den Papierkram: man braucht mich bloß acht Stunden in ein Büro einzusperren, und ich werde verrückt.
    Der Schwiegervater legte die Zeitschrift auf einen Tisch mit doppelter Glasplatte voller Muscheln, Korallen, Schnecken und Kostbarkeiten der Ebbe. Der Wal hörte schreckensstarr mit dem Stricken auf und hob den sich in Überraschung rundenden Mund zu ihnen:
    – Wir hatten an März gedacht, wenn Sie einverstanden sind, Mutter, sagte Inês. Jorge geht im April zum Militär.
    Der Katechet zündete die Zigarette an, die ihm der Leutnant gereicht hatte, und dachte über das Angebot nach. Er trug immer eine Krawatte, einen speckigen, über dem zerfetzten Hemd gewundenen Lumpen, und sonntags versah er sich in einem Anfall von Luxus mit einer aufsehenerregenden Brille mit zersprungenen Gläsern und mit rosa Pflaster reparierten Bügeln und mit einem phantastischen Plastikgürtel, der auf der riesigen Schnalle die Nummern 007 trug. Der große Zeh schaute aus einem Loch der tausendjährigen Turnschuhe:
    – Zweitausend, hielt er entgegen wie jemand, der ehrenvoll einen Friedenspakt schließt. Zweitausend und die Flasche Alkohol, um auf Ihre Gesundheit zu trinken, Herr Leutnant. Wir
kümmern uns um das Mädchen, sie legt sich nicht mit Soldaten hin, kriegt keine Krankheiten.
    – Geh ins

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