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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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in dem Wasser nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren, verstehen Sie?
    Jenseits des Kiefernwäldchens erkannte man in der Ferne die blaue Schuppe des Meeres, ein körperloser Wind beunruhigte die Wipfel, die Insekten krochen grün aus den Ritzen, den Spalten der Wurzeln hervor, entfalteten das mit Rippen durchzogene Seidenpapier ihrer Flügel:
    – Um Gottes willen, flehte der Leutnant, hör mit dem Geheule auf, ich verspreche dir bei meiner Gesundheit, daß ich dich heiraten werde.
    – In allerspätestens einer Stunde, versprach Inês, sind wir dort, Mutter. Ich muß nur noch schnell eine Bluse und einen Rock anziehen.
    Sie legte den Hörer auf und drückte die Zigarette aus: Wie dein Onkel, dachte er, wenn er mich in das Büro der Bankdirektion ruft, um mir im Schutz der ewigen Büste des Großvaters auf seinem würfelförmigen Sockel aus Marmor Anweisungen zu geben: die gleiche Falte in der Mitte der Stirn, der gleiche ironische Mund, das gleiche Profil, dessen sich die Jahre annehmen werden, um es schwerer zu machen, ihm Tribunsfeierlichkeit zu verleihen.
Das Mädchen schaute durch die halb durchsichtigen Gardinen in die Nacht und verkündete, Wir essen in Carcavelos zu Abend, ohne mich zu fragen, was ich wollte, verstehen Sie, ohne mich um meine Meinung zu bitten.
    – Ich kam nach Haus und teilte der Alten mit, daß ich beim Militär bleiben würde, erzählte der Funker, während er mit dem mit Spucke befeuchteten Daumen Krümel von der Tischdecke fischte. Da ihr Vater als Unteroffizier der Kavallerie starb (ein dicklicher Mann mit Schnurrbart am Kopfende des Bettes), ist klar, daß sie das begeistert aufgenommen hat.
    Er half ihr aufzustehen, klopfte ihr die Tannennadeln von der Kleidung (der Blutfleck war vollkommen verschwunden, von den Insekten oder dem Rachen der Erde verschluckt), er suchte in der Hosentasche nach dem Taschentuch, um ihre Tränen zu trocknen, und sie stiegen die Stufen zum Eingang hinauf, die von einer blau gestrichenen Laterne beleuchtet wurden, die die Dunkelheit des Gartens noch vertiefte, während die Hunde in wilder Freude durcheinandersprangen und bellten. Inês bediente die Klingel, die vom losen Zweig einer Kletterpflanze verborgen war: das Dienstmädchen öffnete die Tür (eine maskuline, geschlechtslose Vierzigjährige, die die Hunde mit einer Handbewegung wegscheuchte), Guten Abend, gnädiges Fräulein, Hallo, Hilária, und die Tiere verzogen sich in die haarigen Büsche zum vagen Würfel der Garage, die mit Kartons voll Fliesen, Brettern, alten Reifen, noch nicht fertig gebauten Schiffen und Resten von Möbeln vollgestopft war. Der schwarze Katechet ging mit einem barfüßigen, zehnjährigen Kind an der Hand auf den Leutnant zu, der ihn am Stacheldrahtzaun erwartete:
    – Viertausend Escudos, verhandelte er in schwerfälligem Portugiesisch.
    Diese dumme Gans läßt sich nicht einmal dazu herab, mit mir zu sprechen, ich bin hier ein völliges Nichts, beginne selbst davon überzeugt zu sein, daß ich nicht existiere, dachte er, während er seinen Regenmantel dem Dienstmädchen gab, das ihn
gleichgültig auf eine riesige, nägelbeschlagene Truhe warf: und da waren sie und spähten ihn von der Eingangshalle aus, hassenswerte Büsten, Bilder, Fotos.
    – Viertausend Escudos, Herr Leutnant, ließ der Neger nicht locker. Preiswerte Ware.
    Er trabte über verschiedene Arraiolos-Teppiche, die ihn zum Salon führten (Inês hatte sich in Luft aufgelöst, vielleicht war sie in die Küche gegangen, um die gerührten Muschiken zu begrüßen), hörte ferne Stimmen, den Trichterklang des Fernsehers, den Plattenspieler in einem der hinteren Zimmer. Er überprüfte die Krawatte in einem Spiegel mit einem Rahmen aus vergoldetem Schnitzwerk, der ein von den Mängeln des Glases gewelltes Profil zurückwarf, doch die aufeinanderfolgenden Wandleuchter schoben ihn, der wie ein taumelnder Schmetterling stolperte, weiter (Ich heirate dich, ich will blind sein, morgen abend rede ich mit deinen Eltern, die reglosen Blautöne des Meeres und des Himmels vereinigten sich in einer geraden, vollkommenen, schwach orangefarbenen Linie), und er gelangte am Ende in ein großes, strenges pompöses Zimmer voller Menschen, Porzellan, Stühlen, einem silbernen Samowar auf einer Art Thron, voller Stimmen, Dekolletés, Körper, fleischfressendem, zurückhaltendem, wohlerzogenem Lachen (Als ich klein war, dachte ich immer, daß die Welt an diesem geometrischen Schnittpunkt der Farben aufhörte und es dahinter

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