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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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ist, mich an die Arbeit zu gewöhnen, Herr Hauptmann? meinte der Soldat vergnügt lachend und spuckte Olivenkerne in die riesige Handfläche. Wenn Sie ein Leben wie meines gehabt hätten, wüßten Sie, daß nichts zu essen zu haben das einzige ist, was mir etwas ausmacht.
    Ich kam immer morgens um acht im Lager an, in dem die Scheiben der Fenster da oben, ganz nah am Wellblechdach, alle kaputt, die Wände rußig waren, darauf die Worte NICHT RAUCHEN blaßrot wie Lippenstift auf einem alten Hemd, Möbel und Kisten und wacklige Schränke und staubige Oberflächen, von Mäusen verschlungene Polster, Bidetgestelle standen dort herum, die eine schwierige, geizige Helligkeit beschien, von der man nicht wußte, woher sie kam, und die auch den Käfig des Büros des Onkels gleich neben dem Eingang mit dem berühmten heruntergekommenen Schreibtisch und seiner unbeschreiblichen Aktenunordnung beleuchtete. Dort, Herr Hauptmann, natürlich draußen, wartete man auf die Aufträge für den Tag (Den Hausrat von Nummer soundso aus der Soundsostraße zur Soundsoavenida bringen, den schwersten Kram aus einer Villa in Caneças holen, zu dieser Adresse in Caxias fahren, zwei Klaviere nach Amadora schleppen), stampfte wegen der Kälte mit den Sohlen auf den Boden, rauchte billige Fluppen, betrachtete den verschossenen Himmel durch die Risse im Dach, während der dicke Drogist vom Laden auf der anderen Straßenseite die Fensterläden abnahm und die ersten alten Frauen sich, in die Leichentücher der Häkelgardinen gehüllt, auf den Fensterbrettern breitmachten. Im ersten Stock gab es eine Art wacklige Galerie, auf die man die Henkeltöpfe fürs Mittagessen stellte, wo man sich umzog und aß, und
die eine Dachluke zum Zaun der Verrücktenanstalt besaß, in der elende Männlein in brauner Uniform inmitten cholerischer Bäume gestikulierten. Senhor Ilídio kam um halb neun, grüßte niemanden, röchelte unter erschrecktem Keuchen und Pfeifen sein grimmiges Kongobüffelasthma, er war voller Bartstoppeln, seine Augen entzündet vom qualvollen Wachliegen, er tastete die Jacke nach dem Schlüssel ab und schloß sich in dem vollgestopften Kabuff ein, stempelte Rechnungen ab, schimpfte über die Anarchie der Papiere, die er selber produzierte, schob Stapel alter Zeitungen mit den Ellenbogen und den Füßen weg, bellte zornige Gespräche mit Gläubigern, Freunden oder Kunden ins Telefon, während er mit einem winzigen Bleistiftstummel auf einem speckigen Block herumkritzelte. Manchmal warteten sie fast einen ganzen Vormittag ohne Arbeit, begutachteten die Frauen, die in die Drogerie gingen und wieder herauskamen, und die fahrenden Obst- und Gemüsehändlerinnen auf ihren quietschenden Dreirädern, hörten die Mäuse ganz hinten im Lager piepsen, die zwischen den wurmstichigen Kommodenfüßen herumgaloppierten, rieben ihre untätigen Blaumänner am Putz, und plötzlich wurde die Bürotür aufgerissen, das weiche Froschgesicht starrte sie haßerfüllt an, die dickliche Hand hielt wütend ein Papier gezückt, Kommt her.
    – Wir waren damals nur drei Angestellte, Herr Hauptmann, erinnerte sich der Soldat leise, während er den süßen Nebel der Vergangenheit gerührt mit dem Fernglas betrachtete. Ein Alter, dem drei Finger fehlten, der vor vielen Jahren im Gefängnis gesessen hatte, weil er einen Polizisten geschlagen hatte, und einen in Stücke zerfallenden Laster fuhr, der unter Blecherschütterungen über alle Schlaglöcher hüpfte, ich und ein dünner Typ, der nie etwas sagte und eine Frau hatte, die wegen Anfällen im Krankenhaus lag. Später wurde es besser, wir haben zwei Kleinlaster gekauft und elf Leute eingestellt, darunter eine ständig wahnsinnig erkältete Frau, die am Abend kam, um den von meinem Onkel verzapften Buchhaltungsunsinn zu verbessern und alles in ein Buch mit schwarzem Einband ins reine zu schreiben, das gebunden
war wie die Bücher von Notaren oder in der Kirche. Ganz allmählich wurden die Aktenberge kleiner, verschwand die Unordnung, tauchten neue Stifte auf dem Tisch, ein Löschblatt, Blumen in einem Glas Wasser auf, und der Alte, den die Sauberkeit erschreckte, halbschwindlig, als erkenne er den Raum nicht mehr, schnaubte vor Angst angesichts dieser ungewöhnlichen Reinlichkeitsübertreibung, seufzte nach seinem Schmutzkokon.
    – In den ersten Wochen bin ich fast nicht nach Hause gegangen, sagte mir der Oberstleutnant. Es war alles so ordentlich, unbewohnt, makellos, das erinnerte mich, ich weiß nicht warum, an den Tod.

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