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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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kaute, betrachtete er die Ölgemälde, die Vorhänge, die Konsolen, die Teppiche, den schweren, sich aufdrängenden Luxus des Hauses, die Dienstboten, die mit Tabletts herumkreisten, drei oder vier ständig getretene
Bassets, die unter den Vitrinen jaulten: Ich habe mit diesen Leuten nichts gemein, dachte er, ich bin hier gelandet wie Alice auf der anderen Seite des Spiegels, und er lächelte Inês zu, die sich mit zwei Gläsern Sangria in der Hand näherte: Der Anfang vom Ende, Herr Hauptmann, murmelte er traurig, einundzwanzig Jahre, hundert Prozent unbedarft, und die Kaserne von Mafra wartete auf mich.
    Am Ende der Autobahn, nach den Tankstellen, tauchte plötzlich vorn die Uferstraße mit dem Fluß auf, teerfarben jenseits der Mauer, von einer Konstellation ankernder Schiffe übersät.
    – Kannst du nicht ein bißchen schneller fahren? befahl Inês kurz angebunden. Mutter ißt schon seit Ewigkeiten zu Abend.
    Sie gab ihm das Glas, kniff ihn in die Wange, und der Leutnant dachte, Wieso magst du mich, wo ich doch schlechter angezogen bin als die Typen hier, wo ich weniger weltläufig, ungehobelter wirke, ein weniger zartes Gesicht habe als sie, wo ich weder die Leute, mit denen sie verkehren, kenne, noch die Hotels, in denen sie absteigen, noch die Städte, über die sie sprechen, wo mein Vater als Assistent des Geschäftsführers einer zweitklassigen, karbonhaltigen, dreckigen Druckerei arbeitet, wo ich weder Graf noch Millionär, noch Künstler, noch berühmt bin, wo ich ruhmlos im ersten Jahr Betriebswirtschaft durchfalle und in einer Wohnung in Marvila lebe, wo kein Möbelstück auch nur einen Heller wert ist. Als gäbe es in alldem einen riesigen Fehler, Herr Hauptmann, eine Verwechslung, die sie am Ende fatalerweise entdecken, einen Irrtum, den sie mit dem Ausdruck des Entsetzens, Gekicher, gehässigen Bemerkungen, Spott aufklären würden. Er schluckte mühsam eine Gabel Stockfisch herunter, antwortete dem Lächeln von Inês mit einer verlegenen Grimasse, nahm wahr, daß ein glatzköpfiger Priester und eine schmachtende, unter Juwelen vergrabene Dame ihn bemerkten, Sie werden mir demnächst mit ausgestrecktem Finger sagen, daß ich durch die Küchentür von hier verschwinden soll, dachte er, doch die Gestalten flossen ineinander und verblaßten zerstreut, höflich oder
vage freundlich, große angemalte Augenlider, endlose elastische Münder, strebende Brüste, ehrfurchtgebietende Glatzen, er hatte den Stockfisch aufgegessen und stand wahnsinnig linkisch mit leerem Teller in der Hand da, konnte sich nicht entscheiden, wo er ihn abstellen sollte, Inês hatte sich entfernt, um ein Ehepaar zu begrüßen, das ihr von fern zugewinkt hatte, und der Leutnant dachte, schutzlos an die Tapete gelehnt wie ein zum Tode Verurteilter an der Wand der Erschießungen, voller Schrecken, Und jetzt werden sie sich auf den Teppichboden knien, am Abzugshahn ziehen, schießen. Und dennoch bin ich am Sonntag darauf und am übernächsten und am überübernächsten wieder hingegangen, ich lernte den Frauen die Hand zu küssen und höflich, von gleich zu gleich mit den Männern zu plaudern, ein Cousin von ihr war mir sympathisch, der übertrieben, mit Augenringen, aufgeschwemmt stets an der Schwelle zur Trunkenheit dastand wie am wackligen Rand eines Schwimmbeckens. Der Cousin arbeitete (Arbeitet noch?) in der Bank der Familie, und hin und wieder rief er ihn an, um ihn zu lärmenden Festen mit den Tänzerinnen des Casinos oder belgischen Mannequins oder sommersprossigen Geschöpfen (Tennisspielerinnen?) einzuladen, die auf der Durchreise in Lissabon waren und die er vor dem Abendessen in den Bars der Ausländerhotels aufgegabelt hatte, wo die Kellner ihn mit den respektvollen Verbeugungen von Sklaven begrüßten.
    – Das Kapital, mein Sohn, führt unweigerlich zum Laster, krächzte der Funker, indem er den Tonfall eines Domherrn im Beichtstuhl nachahmte. Du wirst fünf Salve Reginas für eine klassenlose Gesellschaft beten.
    Die Wellen der Flut explodierten an der Mauer und schossen in der Dunkelheit als Spitzenwerk aus Schaum in die Höhe, die Autos fuhren langsam auf dem nassen Pflaster, unbeleuchtete Villen häuften sich ungeordnet an der Bahnlinie. Mariana jaulte auf der Rückbank aus Ungeduld, Müdigkeit, Hunger: Abendessen, so schnell wie möglich wieder nach Hause fahren, eine Tablette schlucken, einschlafen. Seine Augen plagten ihn, seine
Beine fühlte er fast nicht, ein schmerzhaftes Pulsieren löste ihm die rechte

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