Fächerkalt
Jahren daran gedacht, wie er uns heute das Leben schwer
machen kann.«
»Und alle
drei Leichen unbekleidet in die Grube geworfen«, führte Dr. Salzmann den Gedanken
weiter. »Weder Gürtelschnallen noch Reißverschlüsse oder Hosennieten – einfach gar
nichts, was außer den Knochen in den Sieben hängen geblieben wäre.«
»Das Alter
der Gebeine konnten Sie aber sicherlich bestimmen?«, fragte Paul Wellmann vorsichtig
nach.
»Ich habe
Knochenteile hauchdünn geschliffen, poliert und unter dem Mikroskop untersucht.
Eine Heidenarbeit übrigens. Es geht auf zehn Jahre genau, exakter kann ich mich
nicht festlegen. Alle Personen waren zwischen 20 und 30 Jahre alt.«
»Und weiblich«,
behauptete Lindt.
»Treffer!«,
bestätigte die Ärztin. »Wie kommen Sie darauf?«
»Bis zum
Beweis des Gegenteils behaupte ich einfach mal, dass der damalige Bewohner dieses
Anwesens die Frauen entsorgt hat, die ihm entweder lästig oder gefährlich geworden
sind.«
»Du willst
sagen, jetzt fängt für uns die Fitzelarbeit an«, dachte Paul Wellmann laut nach.
»Genau.
Wer in den 60er-Jahren dort wohnte, das wissen wir. Welche Frauen in diesem Zeitraum
vermisst gemeldet und nie wieder aufgetaucht sind, lässt sich ermitteln. Und mit
etwas Glück finden sich noch deren Angehörige, die Hinweise auf Verbindungen zu
Eduard von Villing geben können. Jede Wette, dass er schon früher der Meinung war:
In meinem Haus gilt mein Gesetz.«
»Die Todesursache
war leider nicht mehr zu bestimmen«, bedauerte Adelheid Salzmann. »Knochenbrüche
konnte ich jedenfalls nirgends finden.«
»Ein Kopfschuss,
so wie bei seiner Frau, scheidet also aus. Erwürgen, erdrosseln und erhängen wären
jedoch durchaus möglich.«
Die Rechtsmedizinerin
mit dem kurz geschnittenen grauen Haarschopf nickte. »Genauso wie erstechen, ersticken,
ertränken, vergiften oder was es da sonst noch Nettes gibt.«
Lindt strahlte.
»Die einfachen Ermittlungen sind doch langweilig. Jetzt will ich’s wirklich wissen.
Komm, Paul, Volldampf!«
Um diese umfangreichen Recherchen
in alten Akten durchzuführen, wurde Lindts Team um sieben Beamte aus anderen Bereichen
der Karlsruher Kriminalpolizei aufgestockt.
Mitten in
die erste Lagebesprechung platzte KTU-Chef Ludwig Willms. »Oskar, halt dich fest.«
Er trat auf den Chefermittler zu und kniff ihm blitzschnell oberhalb des Hosenbundes
ins Fleisch. »Dein Bauchgefühl! Schon wieder! Exakt ins Schwarze getroffen.«
Lindt blieb
gelassen. »Na also, ich hab’s mir doch gedacht.«
Die übrigen
Mitglieder der Kommission verstanden nur Bahnhof. Sie waren nicht in Lindts Theorien
eingeweiht und mussten erst aufgeklärt werden.
»Gerade
habe ich die DNA-Analyse vom LKA bekommen«, sagte Willms. »Wir konnten Speichelreste
sichern, und zwar an einem Glas, aus dem Eduard von Villing während der Vernehmung
letzte Woche getrunken hat.«
»Genau deshalb
hab ich ihm ja das Wasser bringen lassen«, lehnte sich der Kommissar zurück. »Ich
hätte ihn eigentlich für schlauer gehalten. – Sein Sohn hat sich geweigert, als
wir ihm im Knast mit einem Wattestäbchen in die Mundhöhle wollten. Deshalb«, er
zeigte auf Jan Sternberg, »hat unser junger Kollege sofort reagiert …«
»… in seiner
Zelle ein paar Haare aufgesammelt und den benutzten Trinkbecher ausgetauscht – voilà!«
»Prima,
Jan«, lobte Hauptkommissar Lindt, »denn jetzt wissen wir, dass … Ludwig, dein Auftritt!«
»… die DNA
von Eduard und Konstantin von Villing keinerlei Ähnlichkeiten miteinander haben!«
»Auf gut
Deutsch«, legte Lindt nach, »der Alte ist nicht der Vater des Jungen.«
»Ich fass
es nicht«, lachte Paul Wellmann. »Ein Kuckuckskind! Und das ausgerechnet diesem
notorischen Schürzenjäger.« Er klatschte in die Hände. »Applaus, das freut mich
wirklich!«
»Wenn er
das rausgefunden hat«, Oskar stieß eine dicke Wolke aus seiner obligatorischen Pfeife,
»hätten wir ein absolut perfektes Motiv, wieso er vor zehn Jahren seine Frau ins
Jenseits befördert hat.«
»Und wie
wollen wir es anstellen, ihm das nachzuweisen?«
Lindt tippte
sich mit dem Mundstück seiner Pfeife an die Stirn. »Dazu, lieber Paul, müssen wir
auch da oben auf Volldampf schalten.«
»Genug Rauch
kommt ja bereits aus unserer Dampflok!« Ludwig Willms, den Lindt schon öfter als
›militanten Nichtraucher‹ bezeichnet hatte, riss demonstrativ die beiden Fenster
des Besprechungsraumes sperrangelweit auf.
Es dauerte bis zum Nachmittag des
Mittwochs.
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