Fächerkalt
Jan Sternberg. »Mein Magen knurrt schon seit Rastatt.«
»Stehtischkonferenz
mit Fleischkäse?«
Allgemeine
Zustimmung.
Die heiße Theke einer nahegelegenen
Metzgereifiliale bot reichhaltige Auswahl. »Dreimal mit Senf«, bestellte Lindt und
spendierte eine Runde Halbliterflaschen Apfelschorle.
Sie hatten
kaum zweimal abgebissen, da klingelte Lindts Handy.
Die Zentrale
meldete zwei Festnahmen in Frankreich. Für den Schläger waren sechs Mann nötig gewesen,
der elegante Typ dagegen, ein Antiquitätenhändler aus Soufflenheim, war ohne Widerstand
mitgekommen. »Auch der ist kein unbeschriebenes Blatt«, tönte es aus dem Mobiltelefon.
»Zwei Betrugsverfahren stehen auf seinem Sünderkärtchen, allerdings ohne Verurteilung.«
»Wann können
wir zur Vernehmung kommen?«, wollte Lindt wissen.
»Jederzeit,
Straßburg wartet. Der schwarze Kastenwagen, Mercedes Sprinter, wurde übrigens bei
ihm gefunden.«
»Wer hat
Lust?« Der Kommissar sah seine Kollegen erwartungsvoll an.
»Dann können
wir das Wort Feierabend für heute mal wieder vergessen«, murrte Paul Wellmann.
»Hast noch
was vor?«
»Nicht direkt,
wenn ich mir allerdings die langen Gesichter zu Hause vorstelle …«
»Jan, was
ist mit dir?«
Sternberg
war ebenfalls wenig begeistert, rang sich jedoch zu einem »Na gut« durch. »Ich hoffe,
Chef, Sie berücksichtigen das bei der nächsten Beurteilung.«
Als sie hinter Kehl auf der Europabrücke
den Rhein überquerten, war es bereits 16 Uhr. Ein Capitaine der Police Judiciaire
erwartete sie in der Straßburger Polizeizentrale und begleitete die deutschen Kriminalbeamten
in den Vernehmungsraum.
Der Bärtchenträger,
der tatsächlich Hambacher hieß, wie Trödel-Willi behauptet hatte, Jean Hambacher,
machte einen schmierig-freundlichen Eindruck und war zuerst recht gesprächig. Rein
geschäftlich wäre er in Rastatt gewesen. Ohne Vorwarnung hätte ein ihm unbekannter
Mann begonnen, wie wahnsinnig zu randalieren.
»Jan, die
Aufzeichnung.« Sternberg startete das Notebook.
Das Video
aus der Überwachungskamera belehrte Hambacher eines Besseren. Der Moment, als er
das eindeutige Zeichen zum Angriff gab, brauchte keinen weiteren Kommentar. Daraufhin
wurde er sehr einsilbig.
Intuitiv
ging Lindt jetzt in die Vollen: »Seit wann hatten Sie Geschäftsbeziehungen zu Irene
Stoll?«
Wie vom
Blitz getroffen zuckte der Bärtchenträger zusammen.
Voll ins
Schwarze, da war sich der Kommissar sicher.
Der Festgenommene
überlegte einen Moment und verkündete, ab sofort zu schweigen. »Kein Wort mehr ohne
meinen Anwalt.«
»Macht nichts,
die Nachbarn werden Sie ohnehin erkennen.« Jan Sternberg hielt bereits das vom Erkennungsdienst
gefertigte Foto in der Hand. »Irene Stoll ist tot und wir gehen davon aus, dass
sie ermordet wurde. Wo haben Sie sie gefunden?«
Jean Hambacher
schwieg hartnäckig.
Lindt erhob
sich. »Kein Problem. Wir werden Ihren gesamten Laden auseinandernehmen und ich bin
mir absolut sicher, irgendwo finden sich DNA-Spuren von Irene Stoll. Das dürfte
für eine lange Untersuchungshaft reichen. Sie haben die Wahl, ob Sie mit uns kooperieren
wollen oder nicht.«
Blanke Wut
stand in Hambachers Augen, aber er schüttelte den Kopf. »Non!«
Die Kripobeamten
gingen zur Tür. Lindt drehte sich noch einmal um. »Oui? Ihre letzte Chance!«
Mit hasserfülltem
Blick würgte der Elsässer ein »Oui!« hervor.
»Na also!«
Lindt und Sternberg nahmen wieder am Tisch mit der einfachen hellgrauen Resopalplatte
Platz. »Wir hören.« Lindt schaltete das Diktiergerät erneut an und lehnte sich erwartungsvoll
zurück.
»Sie wissen
ja, ich handle mit Möbeln, mit alten Möbeln, manche nennen sie Antiquitäten. Seit
über zehn Jahren belieferte mich Irene.«
»Oft?«
»Ach was,
alle paar Monate zwei, drei Teile. Wenn sie irgendwo eine alte Truhe oder einen
Bauernschrank aufgetrieben hatte, brauchte sie ewig, um diese Stücke zu restaurieren.
Allerdings arbeitete sie auch 150-prozentig. Einfach perfekt.«
»Was machte
sie genau?«
»Es war
ihr ein Hochgenuss, schadhafte Teile so auszubessern, sodass selbst ein Fachmann
größte Mühe hatte, zu erkennen, was nachgebaut und was wirklich alt war. Dabei arbeitete
sie viel genauer als ein gewöhnlicher Schreiner. Zehntelmillimeter war für sie kein
Fremdwort. Richtiges Kunsthandwerk eben. Meine Kundschaft honorierte das immer.«
»Ich dachte,
die falschen Wurmlöcher erzeugt man mit der Schrotflinte«, meinte Jan Sternberg,
sagen zu müssen. Er erntete
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