Faeden des Schicksals
wurde unruhig. Sie hatte Owen nie so gesehen. Er war immer einer der Stärksten gewesen, ihn hatte so leicht nichts umhauen können. Seine Meinung hatte er immer direkt gesagt, egal , wer vor ihm stand. Ein solches Benehmen wie jetzt hatte er nie gezeigt. Sie ging auf ihn zu, griff vorsichtig nach seiner Hand.
Er zog sie weg. Er hatte sich nie abgewendet, wenn sie ihn berührte. Waren das Tränen in seinen Augen?
Laarni spürte einen gewaltigen Kloß in ihrem Hals.
„Laarni …“ Seine Stimme brach.
Was um alles in der Welt war bloß los?
„Owen?“ Als sie dieses Mal erneut auf ihn zuging, griff er nach ihrer Hand. Seine Finger gruben sich in ihre Haut.
„Wir haben derzeit Probleme“, begann er und seine Stimme pendelte sich auf eine monotone Tonlage ein. „Viele von uns heilen nicht mehr wie früher.“ Er stockte erneut.
Laarni schluckte. Ihre Gedanken gingen zu dem letzten Kampf, den sie hatte bestreiten müssen. Die Vampire, die in ihre Wohnung eingedrungen waren und sie zur Verwandlung gezwungen hatten, tauchten in ihren Erinnerungen auf. Und mit ihnen die Schmerzen. Sie war entkommen, doch sie hatte viele Wunden einstecken müssen. Wunden, die immer noch da waren.
Laarni sah zur Seite. Sie wollte nicht riskieren , sich durch einen auffälligen Blick oder eine Bewegung zu verraten. Die Blutungen waren sehr schwer zu stillen gewesen. Sie hatte sich daher lange verstecken müssen. Zumindest war es für einen Werwolf, der sonst bei der Heilung zusehen konnte, eine lange Zeit gewesen.
Laarni hatte es sich nicht erklären können. Sie hatte vermutet, dass sie vielleicht durch irgendein Medikament beeinträchtigt war. Doch wenn es nicht nur sie betraf, schied diese Möglichkeit aus.
„Wir hatten vor Kurzem einen schweren Kampf gegen einige Vampire.“ Owens Stimme riss sie in die Gegenwart zurück. „Deine Mutter … sie starb an ihren Verletzungen.“
„Was?“ Es schien , als würde die Welt um sie herum zerbrechen. Laarni fing an zu zittern, ihre Hände hoben sich zu ihrem Mund und verdeckten ihn.
Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein!
Gerade als sie in die Knie sinken wollte, fing Owen sie auf. Er drückte sie an sich. Sie spürte, wie eine Träne auf ihre Wange fiel. Es war nicht ihre eigene, aber sie vermischte sich umgehend damit.
„Wann … ist das … passiert?“ Auch Mathos Stimme stockte. Laarnis Blick ging zu ihm. Er stand wie vom Donner gerührt hinter Owen. Sie befreite sich von ihrem Onkel, versuchte die Fassung wiederzubekommen.
Nie hätte sie gedacht, dass sie einst ihre Mutter verlieren könnte. Sicher, sie hatte den Kontakt abgebrochen, war verschwunden und hatte alle zurückgelassen. Doch sie hatte immer gedacht, dass sie …
Nun ja, dass sie wiederkommen konnte.
Sie waren Werwölfe, verdammt noch mal! Sie lebten nicht ewig, aber sehr lange. Laarni hatte immer geglaubt, dass sie zurückkommen konnte, dass sie vielleicht irgendwann Beweise und Forschungen vorlegen konnte, die die alten Ansichten nichtig werden ließen und es ihr ermöglichten, wieder ins Rudel aufgenommen zu werden.
„Ich habe sie vor wenigen Tagen erst beerdigt“, meinte Owen. Seine Augen waren gerötet, doch er stand aufrecht. Er durfte sich nicht weiter der Trauer hingeben. Laarni kannte ihn. Er war immer der Rückhalt der Gruppe, er fing jeden auf, der einen Schicksalsschlag erlitt. Er konnte es sich nicht leisten , zu trauern und zu klagen.
„Warum hast du nichts …?“
„Weil meine Schwester“, unterbrach er Matho scharf, „das Rückgrat des Rudels war. Hätte sich ihr Tod herumgesprochen, was glaubst du, wäre passiert?“
Laarni ließ den Kopf sinken. Ihre Mutter hatte nie darüber gesprochen, doch sie war das Herz ihrer Gruppe gewesen. Sie hatte so viel Ahnung von der Natur wie sonst keiner, sie kannte alle Wirkungsweisen, die man mit Pflanzen erzielen konnte. Und sie war der Ansprechpartner , wenn irgendetwas im Rudel nicht so lief, wie es sollte. Sie hatte immer von Owen geschwärmt, der ihr alles beigebracht hatte. Und jetzt war sie –
„Wissen wir, wer sie um gebracht hat?“, zischte Laarni plötzlich.
„Der Angriff wurde durch mehrere ausgeführt .“ Owen wurde leise.
„Nein“, fuhr Matho dazwischen. „Wir reden von dem Angriff, der vor einer Woche stattfand, oder?“ Er machte keine Pause, wartete auf keine Antwort. „Es war der gleiche Typ, den wir in der Bar befragt haben. Dieser Kerl mit den langen, dunklen Haaren und diesen Narben im Gesicht. Ich
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