Fänger, gefangen: Roman
ist nicht so, dass er mich nicht liebt. Er hat einfach nur viele andere Dinge im Kopf. Absolut verständlich. Ich hinterlasse ihm mein Zweimannzelt. Damit kann er ein Mädchen an einen abgelegenen Ort mitnehmen und schöne Erinnerungen schaffen.
Mit Nick ist es schon schwerer.
Alles in unserer Kabine. Mein Fahrrad. Mein Ruderboot,
schreibe ich neben seinen Namen. Vielleicht reicht die Liste allein nicht aus. Vielleicht besteht das Gesetz auf irgendeine Anweisung, wegen der Klarheit und so. Also male ich zwischen die Liste und seinen Namen eine Art Sprechblase und einen Pfeil. In die Sprechblase schreibe ich S
oll Nebenstehendes ohne jegliche Bedingungen oder Zahlungen erhalten
. Soweit ich weiß, müssen die Leute dem Anwalt oder dem Gerichtwas bezahlen, um ihre Sachen zu kriegen. Obwohl es jetzt zu spät ist, das herauszufinden, bin ich mir verdammt sicher, dass Henry Walker meiner Familie meinetwegen nicht noch mehr Geld abknüpfen wird.
Ich kann fast hören, wie Mack lacht – oder es zu unterdrücken versucht, um meine Eltern nicht zu kränken –, wenn er hört, dass ich ihm meinen Angelkoffer hinterlasse. Er wird den Witz auf jeden Fall verstehen. Ich ziehe den Koffer unter dem ewigen Stapel von Nicks Fußballsachen unten im Schrank hervor und stelle ihn neben den Rollkoffer. Unser Angelabend mit den Zwillingen kommt mir ewig lang her vor. Ich werde den Angelkoffer vor die Kabine stellen müssen, falls sie das mit dem Kabineninhalt für Nick wörtlich nehmen. Wenn er mit in der Kabine steht, wäre das ein Streitpunkt, und dann geben sie Mack das Ding vielleicht nicht. Was ich vor allem will, mehr noch, als dass Mack meine Angelsachen benutzt, damit sie nicht verrosten, ist, dass es keinen Streit mehr gibt.
Meine Eltern werden nichts von meinen Sachen haben wollen. Schlimm genug, dass sie meine Kleidung und meine Fotos sortieren und die leere Koje sehen müssen und immer daran erinnert werden! Wenn ich das besser geplant hätte, hätte ich mich von Meredith noch zum Secondhandladen fahren lassen, um das meiste wegzugeben. Aber vor heute Morgen hatte ich noch keine Ahnung, dass ich diese Reise heute in Angriff nehme.
Ich schreibe Meredith eine extra Nachricht und stecke sie in einen Umschlag mit ihrem Namen. Dann male ich noch ein Smiley-Gesicht auf einen Strichmännchenkörper, der von einer Brücke springt. Das ist zwar ein bisschen albern, aber ich will, dass sie was zu lachen hat. Ich sage euch nicht, was ich ihr geschrieben hab. Das ist privat. Aber Holden wäre stolz auf mich. Ich bin nicht kitschig geworden, sondern habe nur die Highlights erwähnt und ihr ein schönes Leben gewünscht.
In Liebe, Daniel,
steht darunter. Sie weiß das bereits, aber es bedeutet mir etwas, dass sie das in Händen hält, mit den Fingern am selben Papier wie meine. Ich hoffe, dass es ihr auch etwas bedeutet.
Du kannst kein Testament schreiben und deine Mutter und deinen Vater übergehen. Vor allem nicht, wenn du außer der Reihe stirbst und sie dich begraben müssen, ihr eigenes Kind. Also schreibe ich den Namen meines Vaters. Es fühlt sich komisch an, Stieg Corneill Landon zu schreiben anstatt Dad. Ich gebe ihm das Taschenmesser zurück, das er mir zum zwölften Geburtstag geschenkt hat, und das Buch mit den Gedichten von Robert Frost, weil er ständig daraus zitiert. Er wird die Anspielung verstehen. Ich schiebe mein Zeugnis in das Buch und lege alles auf mein Kopfkissen, damit er es findet. All die Streitereien für nichts und wieder nichts. Hätte ich den blöden Ärzten doch nur von Anfang an geglaubt, dann hätte ich vielleicht nicht so viel Zeit und Energie verschwendet. Trotzdem weiß ich jetzt Dinge über meinen Vater, die ich ohne unsere Diskussionen nie erfahren hätte.
Jetzt bleibt nur noch Mom. Sie war als Erste da, und sie ist auch das Ende, auch wenn sie körperlich nicht anwesend sein wird. Ich lasse meinen Blick über die Regale schweifen und zieh die Schubladen weit auf, um das Richtige für sie zu finden. Sie soll wissen, wie wichtig sie mir ist. Wegen all der Zeit davor. Und auch wegen dieser Monate. Ich will, dass sie mir all die idiotischen Dinge verzeiht, die ich getan habe: schlechte Tischmanieren, dass ich in der dritten Klasse den Buchstabierwettbewerb nicht gewonnen hab, nachdem sie das ganze Wochenende mit mir geübt hatte, dass ich mich geweigert habe, zu Grandmas Beerdigung eine Krawatte zu tragen, dass ich Walker schlecht gemacht hab, dass ich sie zum Weinen gebracht habe. Vor allem muss
Weitere Kostenlose Bücher