Fänger, gefangen: Roman
flussaufwärts. Als ich an dem aufgelösten Yachthafen vorbei bin, sehe ich zurück, und da steht sie auf dem oberen Deck, eine Hand über den Augen, und starrt in meine Richtung. Sie winkt nicht. Ich winke auch nicht.
Aus der Garage der Petrianos dröhnt Musik von
Nine Inch Nails.
Das ist bestimmt nicht Macks Vater. Ich spähe unter der Garagentür hindurch, die etwa dreißig Zentimeter hochgeklappt ist, und tatsächlich steht da Mack in Trainingsklamotten und poliert einen kleinen leuchtend blauen Nissan Pick-up, den ich noch nie gesehen habe. Seine Haare sind zotteligund unregelmäßig geschnitten, und er wippt im Takt der Musik, während er den Putzlappen in großen Kreisen über das Auto reibt.
»Hey«, brülle ich über die Musik hinweg. »Wem gehört der?«
Er richtet sich auf und neigt den Kopf zur Seite, um zu sehen, wer da spricht. »Dan-Man, ey, Mann. Komm rein.«
Ich ziehe am Türgriff, aber da bewegt sich nichts. Ich versuche es erneut. Nichts.
»Sie klemmt«, rufe ich durch das Holz.
»Tut sie nicht.«
Ich trete dagegen und zerre noch mal mit ganzer Kraft. Sie klemmt. Aber bevor ich wieder losschreien kann, gleitet die Tür nach oben, und Mack steht zwanzig Zentimeter von mir entfernt. Ich lege eine Hand auf meine pochende Schulter und trete in die mit Neonlicht beleuchtete Zelle. Mack schwingt den Arm wieder runter, und die Tür schließt sich mit einer sanft gleitenden Bewegung. Ich fühle mich zwar kräftiger, aber hier in der Muskelabteilung hab ich trotzdem nichts zu melden. Ich kann noch nicht mal eine Garagentür aufschwingen. Mack sagt nichts, sondern setzt nur die Massagebehandlung des Wagens fort.
»Schöner Truck«, sage ich. »Stimmt es, dass du den alten geschrottet hast?«
»Dad hat den hier vom Schrottplatz«, klärt mich Mack auf. »Braucht ’n neues Getriebe. Aber er sagt, wenn ich die Hälfte erarbeite, zahlt er die andere.«
»Der ist für Doppelverabredungen aber nicht so geeignet.« Ich setze ein Lächeln auf.
»Du kannst ihn dir ausleihen«, sagt Mack. »Ist Merediths Lieblingsfarbe.«
Ich muss mich sehr unter Kontrolle halten, um nicht zu fragen, woher er das weiß.
Wir setzen uns rein, und er berichtet die neuesten Schulereignisse. Beverly ist von einem der Söhne der Wanderarbeiter schwanger. Der Freund mit dem Motorrad ist passé. Es geht das Gerücht, dass der KindsvaterGeld für eine Abtreibung zusammenkratzt, aber Beverly weiß noch nicht, ob sie das überhaupt will. Leonard ist in ein Mädchen aus Heathsville verknallt, das einen silbernen BMW fährt. Christie ist Geschichte. Der Quarterback des Footballteams wurde mit Kokain erwischt.
»Wer erzählt dir all solchen Kram?«
»Ach, du weißt schon. Man hört so dies und das.«
»Wir waren früher nie in den richtigen Kreisen«, sage ich. »Um so was mitzukriegen. Du musst neue Freunde haben.«
»Vielleicht.« Er springt aus dem Wagen.
Die geöffnete Motorhaube versperrt mir die Sicht. Ich steige ebenfalls aus und gehe nach vorn. Er hält die Augen geschlossen und klopft sich im Takt der Musik mit einer Hand auf den Oberschenkel. Plötzlich fährt er herum und trommelt ein unglaubliches Solo auf die Werkbank. Er hält den Kopf gebeugt, seine Haare fliegen, und die Schultern zucken im selben Rhythmus.
»
Wow!
Wo hast du Schlagzeug gelernt?«
»Cal.«
»Cal Miles aus der Siebtklässlerband?«
Mack nickt und trommelt weiter.
»Cal ist ein Kiffer, Mack.«
»Aber ein toller Schlagzeuger.« Er zuckt mit den Schultern und geht auf die andere Seite der offenen Motorhaube.
»Du bist high.«
»Was interessiert dich das?«
Als ich vorn um die Stoßstange gehe, damit ich ihm in die Augen sehen kann, steigt er wieder in den Wagen und schlägt die Tür zu.
»Was zum Teufel tust du da, Mack?«, frage ich. »Das ist doch Wahnsinn.«
»Es hilft mir, die Dinge klarer zu sehen«, antwortet er. »Ich muss mich im Moment mit so vielem rumschlagen.«
»Ja, Mann.« Ich werd jetzt ziemlich wütend. »Das müssen andere auch, einschließlich meiner Wenigkeit, aber wir setzen nicht alles aufs Spiel für Kokain.«
»Cal hatte ein bisschen was übrig«, erzählt Mack. »Ich hatte ein bisschen Geld.« Die Worte klingen durch die Scheibe gedämpft. »Wie ich schon sagte, ich arbeite für den Truck.«
»Wie?«, frage ich. »Er dealt jetzt, und du bist seine Hure?«
Mack schlägt in meine Richtung und hält kurz vor der Scheibe inne. Er wedelt mit der Hand, damit ich weggehe.
»Scheiße, Mack«, sage ich. »Du bist echt
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