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Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
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nicht. Aber hauptsächlich, denke ich, kommt es daher, weil er erkannt hat, dass es am Ende nicht wichtig ist, auf welche Highschool du gehst.
    Ganz gleich, wie sehr ich mich selbst davon überzeugen will, dass es egal ist, ob alle von mir und der KRANKHEIT wissen, ist es bei Leukämie trotzdem was anderes. Am Ende steht der Tod. Also ist es doch nicht egal. Es gibt bloß überhaupt nichts, was ich dagegen tun kann.

2
    »Daniel, antreten!« Das ist mein Dad, der da ruft.
    Die Zeit der Jahreszeugnisse ist längst vorbei, und ich hab diese Woche keine Regel gebrochen – ich habe also keine Ahnung, warum er seinen Patriarchenton anschlägt.
    Meinen Dad muss man einfach mögen. Er trägt einen Bart und Sandalen, als käme er direkt aus dem Sechzigerjahrefilm
Herbie
. Auch wenn er ganz schön daneben ist, ist er trotzdem in Ordnung, und man hat fast ein bisschen Mitleid mit ihm. Er hat sechs oder sieben seiner »besten Kumpel«, wie er sie nennt, in Vietnam verloren. Seitdem bestimmt dieser Verlust sein ganzes Leben. Er geht zu jeder Antikriegsdemo im Umkreis von dreihundert Kilometern. An Silvester ruft er die Familien seiner toten Freunde an, um ihnen zu zeigen, dass er die Männer nicht vergessen hat. Spielzeugsoldaten und Panzer und all so militärische Dinge waren bei uns natürlich absolut tabu. Wir durften nicht mal mit dem Kriegsspielzeug unserer Freunde spielen. Obwohl er nicht eingezogen wurde, weil er sich als Kind das Trommelfell verletzt hatte, verkündet mein Vater regelmäßig, dass er, nicht ausgemustert, nach Kanada emigriert wäre. Das erzählt er jedem, ob ers hören will oder nicht. »Vorzeitig schwerhörig«, sagt er immer, als wäre das furchtbar witzig.
    Väter, zumindest die Väter meiner Freunde, machen gerne Witze. Es ist, als wären sie Zeichentrickversionen dessen, wie ein Vater sein soll. Auch wenn sie immer wieder dieselben alten Kamellen erzählen, nimmt es ihnen keiner übel, weil Väter das eben so machen. Es soll sie sympathisch machen. Dieses Witzeding muss wie die unbefleckte Empfängnisablaufen, sobald eine Frau einem Mann das erste Kind geschenkt hat. Es macht ihnen nichts aus, dass kein anderer ihre Witze lustig findet. Es macht ihnen auch nichts aus, dass ihre Frauen sagen: »Ach, Schatz, nicht den schon wieder!«
    Ich und Mack Petriano und Leonard Yowell, dessen Vater Senator ist und wahrscheinlich mit ’nem dreiteiligen Anzug ins Bett geht, zucken immer gleichzeitig zusammen, wenn unsere Väter einen Witz erzählen. Obwohl die anderen normale Dads haben und meiner ein später Hippie ist, sind ihre Witze gleichermaßen lahm.
    Diese Militärsprache muss auch so ein Vaterding sein. Leonards Dad sagt ständig Sachen wie »Gefechtsstation« oder »Rührt euch«. Zu Senator Yowell passt das wirklich gut, weil er ein dekorierter Vietnam-Veteran ist. Aber wenn mein Dad so redet, wundere ich mich jedes Mal, weil er doch eigentlich gegen den Krieg ist. Gegen jede Art von Krieg. Schulkonferenzen, fremdenfeindliche, gestapogleiche Praktiken gegen Einwanderer, Palästina und sogar Rivalität unter Geschwistern. Er ist ein wahrer Pazifist. Aber auf eine ganz aufrechte und gute Art.
    Außerdem ist er Vegetarier. Und seine Lieblingsbeschäftigung ist Recycling. Wir benutzen keine Pappteller, auch wenn es schrecklich anstrengend ist, alles abzuwaschen, jetzt, wo wir auf dem Hausboot leben. Heißes Wasser ist ein seltener Luxus, meistens haben wir gar keins. Trotzdem kann ich mehr Gutes über meinen Dad sagen als Schlechtes. Er guckt sich jeden Film an, den ich sehen will, und er weigert sich, Krawatten zu tragen. Ganz anders als Antolini, dieser gefühlsduselige Englischlehrer von Holden mit dem seidenen Bademantel und den aufdringlichen Händen. Auf Dads Sofa hätte Holden ohne Bedenken übernachten können.
    Wenn ihr die Wahrheit wissen wollt: Bevor ich krank wurde, war mein Leben langweilig. Ganz und gar vollkommen langweilig. Ihr hättet bestimmt nicht weitergelesen. Schule und Sommer, Sommer und Schule, meistens heiß und dann noch heißer, hier in unserem Teil von Virginia.Wenn Holden mit dem Taxi durch New York fährt, klingt das aufregender als mein Leben. Selbst der Spielplan der Fußballmannschaft meines kleinen Bruders ist aufregender. Also, ich für meinen Teil bin ja nicht so für Kontaktsportarten, aber Nick ist definitiv der Star seiner Mannschaft, mit dreizehn schon ein brillanter Ausputzer, aber zu nett, um damit anzugeben. Zigtausend Mal in jedem Spiel lässt er die

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