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Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
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davor, betrunken Auto zu fahren«, protestiere ich.
    »Bei Drogen sieht er das anscheinend anders.« Dad ist so sauer, dass er nicht mal versucht, Macks Verhalten zu entschuldigen oder für mich zu beschönigen.
    Überdeutlich habe ich das Bild von Mack in Handschellen auf Brewers Rücksitz vor Augen.
    Fast tonlos spricht Dad weiter: »Mack ist jetzt tabu, Daniel. Wir können nicht zulassen, dass du in so was mit reingezogen wirst.«
    »Vielleicht kann ich ihm helfen.«
    »Ich habe dir schon oft genug erklärt«, sagt Dad, »dass es so nicht funktioniert. Er muss sich selbst helfen.«
    Meredith rutscht näher. Niemand sagt mehr was, und den Rest der Fahrt verbringe ich damit, mir mein Leben ohne Mack vorzustellen. Dann fällt mir ein, dass wegen der vielen Zeit mit Meredith und der KRANKHEIT Mack vielleicht genau das aus umgekehrter Sicht gemacht hat – sich ein Leben ohne mich vorgestellt.
    Am ersten April ziehen wir aufs Hausboot zurück, allerdings erst nach einem großen Streit. Mom sagt, es sei zu früh. Dad sagt, wir brauchen einen Tapetenwechsel. Ich habe das Gefühl, dass sie nachgiebiger wird. Statt die triumphierende Mutter eines fast geheilten Sohnes zu sein,verliert sie die Hoffnung. Ich schlafe wieder den halben Tag und kotze. Irgendwann hört sie auf, das Wetter gegen den Umzug ins Feld zu führen, und beendet den Streit mit einem Unentschieden. Als Dad anfängt zu packen, macht sie mit.
    Wir finden Mäusekot in der Kombüse und unter der Gummimatte am Fahrstand. Während die anderen alles mit Lysol reinigen, hole ich mein Biobuch aus der Kabine und ziehe mich mit einem Schlafsack und einer Schachtel Cracker aufs Oberdeck zurück. Cracker sind im Moment fast das Einzige, das ich bei mir behalten kann. Als die Sonne hinter der dicken Kumuluswolke auftaucht, lege ich mich mit nackten Beinen auf den Schlafsack. Es erinnert mich an die Terrasse in Mexiko und meine trockene gespannte Gesichtshaut, wenn ich auf dem Liegestuhl lag und Mom mir die E-Mails von Dad vorlas, die man uns im Büro des Direktors ausgedruckt hatte. Als hätten wir alle Zeit der Welt und keinen Ort, an dem wir sonst sein müssten, lagen wir da in der Sonne, ganz bewusst und vollauf überzeugt, dass sie die Kraft hätte, mich zu heilen.
    Im Biobuch steht tatsächlich etwas über Leukämie. Dass Lavendel bei der Heilbehandlung helfen kann, ist nicht komplett aus der Luft gegriffen. Ich versuche, den Text im Buch mit den halb spanischen, halb englischen Erklärungen der Pfleger aus Guadalajara zusammenzubringen. Doch die medizinischen Fachbegriffe machen mich müde. Als ich wieder aufwache, ist mein Magen okay, mein Kopf leicht, und ich spüre kein Pochen hinter den Augen. Ich fühle mich großartig.
    »Mom!«
    Sie kommt so schnell aus der Kabine, dass sie an der Leiter mit mir zusammenstößt. Ihre Füße rutschen weg, ich packe ihre Arme, und sie richtet sich wieder auf.
    »Was ist los?« Sie macht ein ernstes Gesicht. Anscheinend rechnet sie ständig mit schlechten Nachrichten. Das ist alles meine Schuld.
    »Es funktioniert. Ich fühle mich klar im Kopf. Fast schmerzfrei.«
    Sie lächelt, aber es wirkt gezwungen. Ich weiß, was sie denkt. Es ist noch zu früh für Euphorie. Sie haben uns kritisch mitgeteilt, dass ich mich vorübergehend sehr viel besser fühlen würde, die Behandlung sich jedoch erst durch das gesamte System arbeiten müsse, sodass es auch wieder schlechte Tage gebe.
    »Darf ich schwimmen?«
    »Ach, Daniel«, sagt Mom. »Es ist April. Das Wasser ist zu kalt.«
    »Ich war seit Monten nicht mehr schwimmen«, stöhne ich. »Und ich fühle mich kräftiger. Ich will auch keine große Runde ziehen. Ich hör auf, bevor ich müde werde. Bitte.«
    »Vielleicht lassen die dich ins Bad vom Sportverein«, schlägt Mom vor. »Auch wenn wir nicht Mitglied sind, weil das eine besondere Situation ist.«
    »Ach, dann vergiss es.«
    »Du hast doch gesagt, du willst schwimmen.«
    »Ja, aber schwimmen wie früher«, sage ich ungeduldig. »Im Fluss, nicht in einem gechlorten Becken mit Dach drüber und ohne blauen Himmel, wo alle mich beobachten, als wär ich ein Freak. Wahrscheinlich machen sie sogar Fotos und nehmen das für eine verdammte PR-Kampagne, um mehr Mitglieder anzuwerben.«
    Ich lasse sie an Deck stehen und hole Riemen, Schwimmweste und Sitzkissen für das Ruderboot. Während ich alles vorbereite, sehe ich ihr Gesicht am Fenster der hinteren Kabine, aber es verschwindet sofort wieder. Das kleine Boot gleitet den Strom

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