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Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
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Koje und ziehe mich hoch, bis unsere Gesichter auf gleicher Höhe sind. Ich weiß, was ich sagen will. Die Worte sind da.
Die
Worte. Aber auf einmal, nun, da ich sicher weiß, dass es auch für sie das erste Mal war, kommt es mir egoistisch vor, über meine Gefühle zu sprechen. Es ihr einfach so hinzuknallen. Ohne zu überlegen, wie es für sie ist, wenn ein Todgeweihter sie liebt. Sie kann sich nicht darauf freuen, mit mir zum Abschlussball zu gehen, wir können uns nicht an denselben Colleges bewerben oder das Foto des jeweils anderen auf unsere Seiten des Jahrbuchs kleben.
    »Merry«, flüstere ich also stattdessen, und ihre Lippen sind so nah, dass ich sie küssen muss. »Danke.«
    Die Batterie ist in Ordnung. Nur die Glühbirne in unserer Kabine ist durchgebrannt. Meredith lacht sich kaputt.
    »Du bist doch diejenige, die Panik gekriegt hat«, sage ich.
    »Ich?«, meint sie erstaunt. »Du hast geflucht und gesagt, dass dein Vater ausrastet.«
    »Ich hab nicht ausrasten gesagt.«
    »Hast du doch.«
    »Hab ich nicht.« Ich muss sie zum Schweigen bringen. Ich muss sie küssen.
    Sie versucht währenddessen, ihr schwarzes Gymnastikoberteil wieder anzuziehen. Ich bin noch nicht bereit, sie gehen zu lassen. Wenn ich nach Mexiko verfrachtet werde, könnte es Monate dauern, bis wir wieder die Chance haben, allein zu sein.
    »Dan. Daniel.« Ihr Lachen klingt erstickt unter dem Stoff. »Hör auf, mich zu küssen. Ich muss zurück. Juliann und ich haben verabredet, dass wir beide um eins zu Hause sind – so kann Mom keine von uns verdächtigen.«
    »Weiß sie Bescheid? Über ... uns?«
    »Meine Mutter?«
    »Gott, nein! Deine Schwester.«
    »Noch nicht.«
    Okay, ich bin brav. Ich streiche das Oberteil glatt und helfe ihr dabei, es in die Jeans zu stopfen, indem ich um ihre Taille greife. Ich will nur überprüfen, ob alles am richtigen Ort ist. Gott, sie ist so schön!
    »Was wirst du ihr sagen?«, frage ich.
    »Meiner Mutter?«
    »Sehr witzig. Nein, Juliann.«
    »Vielleicht gar nichts.«
    »Ist das hier nicht wichtig genug«, frage ich sie, »um es deiner Schwester zu erzählen?«
    Sie sieht weg, greift nach ihren Sandalen und beugt sich vor, um sicherzugehen, dass sie sie richtig herum anzieht. »Vielleicht möchte iches noch eine Weile für mich behalten«, sagt sie. »Sobald sie es weiß, wird es anders. Im Moment gehört es nur dir und mir. Das finde ich schön.«
    »Ich auch.« Mir fällt ein, dass sie meinen könnte, ich wollte ihr vorschreiben, was sie zu tun hat. »Ich meine, du kannst es ihr ruhig sagen, wenn du willst. Egal, wann.«
    »Wirst du es Mack erzählen?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Bei Jungs ist das anders«, erkläre ich ihr. »Wenn ich es ihm sage, wird er es für nichts Besonderes halten, als wären wir Pizza essen gegangen oder so etwas. Vielleicht erzählt er es auch weiter. Ich will nicht, dass er es in der ganzen Schule verbreitet.«
    »Es ist fast eins.«
    »Du hast recht. Ich bring dich jetzt nach Hause.« Ich küsse sie wieder. »Im Ernst. Das tue ich. Ich küsse dich jetzt ein letztes Mal, dann rudere ich dich rüber und bring dich nach Hause.«
    Sie wartet, als wüsste sie schon, dass ich noch nicht fertig bin. Wie kann ein Mädchen mich so gut kennen? Vielleicht durch Osmose?
    »Und dann ...« Ich ziehe sie auf Deck, wickle sie in Dads Schifferjacke ein und ziehe das Ruderboot ran, damit sie einsteigen kann. »Und dann geh ich wieder auf die Brücke und schreie: Das Leben ist himmlisch. Und springe.«
    Sie sieht mich an, als wäre es das Logischste auf der Welt, das zu sagen. Oder zu tun.
    Sonntagmorgen bin ich auf dem Hausboot ganz allein. Draußen stürmt es. Regen. Wind. Wenn das Boot heftig schwankt, hüpft mein Magen mit. Mir ist unerträglich warm. Das Kissen duftet nach Meredith, eine ferne Erinnerung, aber mir wird immer wärmer. Ich schlage die Decke zurück. Grün und elend liege ich auf meiner gepolsterten Koje. Stunden zuvor, als der Schmerz in meinem Bauch nur ein gelegentliches Ziehen war, habe ich den zweiten Anker überprüft und das Handy eingeschaltetfür den Fall, dass Mom oder Dad anrufen, um sich nach dem Boot zu erkundigen. Ich lasse mich auf die Couch fallen, mit einem Mal zu erschöpft, um wieder in meine Koje zu klettern. Niemand ruft an, und ich döse weg. Bei jedem zehnten Schwanken wache ich halb auf, beuge mich zum Fenster und starre in den prasselnden Regen, um zu überprüfen, ob das Motorboot noch am Steg des aufgelösten Yachthafens vertäut ist. Es fühlt

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