Fänger, gefangen: Roman
sich an wie in einem dieser Werwolffilme, wo der Wolf gleich knurrend und mit bluttriefenden Lefzen aus dem Dunkel hervorspringt. Ich versuche, nicht an Meredith zu denken und daran, was wir getan haben, das ist schlimmer als feuchte Träume.
Als Dad und Nick schließlich zurückkommen, sind sie völlig durchnässt. Schlafsäcke, Zelt, alles. Sie sagen nichts, kein einziges Wort, und Dad sieht völlig fertig aus. Nachdem sie die Campingsachen unter das kleine Bimini auf dem Achterdeck verfrachtet haben, ziehen sie ihre nassen Klamotten aus und stehen in Boxershorts im Wohnzimmer. Das Heizgerät glüht rot wie das Ende eines Thermometers. Draußen schleudert jede zweite Welle das leere Motorboot mit seinem kleinen Neun-PS-Motor höher als das Deck.
»Vielleicht sollten wir es an Bord bringen«, schlägt Nick vor.
»Bei solchem Wetter können wir kein extra Gewicht an Bord gebrauchen.« Dad starrt auf das Boot. »Hat deine Mutter angerufen?« Er sieht mich erwartungsvoll an, als müsste ich jetzt genau das bestätigen. Dass sie angerufen hat und alles gut ist.
»Nein.«
»Ist das ein Hurrikan?«, fragt mich Nick. Als ob ich plötzlich ein Experte wäre. Vielleicht denkt er auch, ich hätte mal den Wetterbericht eingeschaltet. Viel zu logisch.
Dad macht die Tür auf, schlägt sie hinter sich zu und verschwindet, nur mit Unterhose bekleidet, im Wind, wobei im Augenblick keine Gefahr besteht, dass ihn jemand sehen könnte. Eine Minute später kommt er zurück und hat Regenzeug und trockene Sachen in einem seiner Rollkoffer dabei.
»Der einzige Weg, um die Sachen trocken zu halten«, erklärt er, während er sich umdreht und die nassen Boxershorts auf den Fußboden fallen lässt. Er trocknet sich mit seinem Sweatshirt ab, bevor er das und eine Khakihose überzieht. Erst als er angezogen ist, scheint er in den Vatermodus umschalten zu können. Sein Gesicht fährt dicht heran an meines. »Geht’s dir gut? Du siehst fix und fertig aus.«
»Ich bin fix und fertig.« Meine Lider sind so schwer, dass ich das Gefühl hab, ich könnte noch beim Reden einschlafen.
Der Wind heult flussabwärts. Als Dad mit dem Fernseher endlich Empfang hat, zeigt der Lokalsender Bilder aus der Innenstadt von Urbanna, die unter Wasser steht. Stromleitungen sind gekappt, und der Wasserpegel im Hafen ist so hoch, dass das Wasser auf die Straße mit dem edlen Segelclub überläuft. Das Fernsehbild flackert und erlischt.
»Meint ihr, wir sollten Mom anrufen und ihr raten, erst mal nicht nach Hause zu kommen?« Ich überlege einfach laut. Keiner von uns hat schon mal eine Hurrikan-Saison auf einem Hausboot verbracht.
»Na toll«, brummt Nick, weil er sauer ist, dass er jetzt die Folge von
Cheers
nicht sehen kann, auf die er sich gefreut hatte.
»Du bist ist sowieso zu jung dafür«, sage ich vom Sofa aus, schlapp und mit schleppender Stimme.
Dad hat ganz andere Sachen im Kopf. »Ich hätte dich gestern Abend anrufen sollen, dass du das Boot zu June Parkers Anlegesteg fährst. Dieser Sturm kommt aus der falschen Richtung und bläst direkt den Flussarm rauf. Wir müssen das Boot ans Ufer bringen.«
Genau in diesem Moment reihere ich meinen gesamten Mageninhalt auf den Boden. Zum Glück für alle war ich in den letzten vierundzwanzig Stunden viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, als dass ich viel hätte essen können. Nachdem Dad alles aufgewischt hat, legt er mir eine Hand auf die Stirn und sieht zu Nick, als wär ihm grade klargeworden, dass bei drei Menschen in einem Raum höchstwahrscheinlich jeder von ihnen erkranken wird. Also ist es ein Virus oder so was, nicht nur die KRANKHEIT.
Dads Unentschlossenheit macht mich ganz nervös. Er spricht mit sich selbst. »Wir können jetzt nicht flussaufwärts fahren.« Gedankenverloren schlägt er sich auf die Arme, um warm zu bleiben. »Das Boot ist zu flach, die Schiffsschraube sitzt zu hoch, ich bin nicht sicher, ob es bei diesen Wellen überhaupt reagiert. Vielleicht schaffen wir es bei dem Wind nicht mal bis an den alten Anleger.«
Nick und ich tauschen Blicke. Das Handy klingelt und klingelt immer weiter, bis Nick das Ding schließlich unter mir zwischen den Polstern findet.
»Ja, ja. Ja«, sagt er wenig redselig.
Ohne den Kopf vom Kissen zu heben, bedeute ich ihm zu sagen, wer dran ist. Nick gibt mir das Handy.
»Junge, Junge, diese Meredith Rilke ist ja ganz schön in dich verliebt.« Ich würde zu gerne wissen, wie er das aus einem Telefongespräch heraushören kann. Und was sie
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