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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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lichterloh – die Brände ließen sich offenbar nicht eindämmen; schwarze Rauchsäulen stiegen von ihnen auf –, doch die Straße blieb frei und wies hier und da helle Flecken auf, wo etwas Sonnenlicht durch den Rauch drang. In einem davon stand breitbeinig Quitoon – die Hände hinter den Rücken gelegt, beobachtete er mich über die Distanz hinweg. Die Kapuze, mit der er seine dämonischen Gesichtszüge verbarg, hatte er abgestreift, und obwohl eine beachtliche Strecke zwischen uns lag, erkannte ich dank meiner teuflischen Sehkraft und dem hellen Sonnenlicht deutlich seinen Gesichtsausdruck. Er sah mich nicht mehr voller Hass und Verachtung an, und als ich seinen Blick erwiderte, sah ich – vielleicht wollte ich es auch nur sehen – eine Miene der Verwirrung, als könnte er nicht begreifen, wie wir uns nach so vielen gemeinsamen Jahren so plötzlich und auf so törichte Weise trennen konnten.
    Dann erlosch das Sonnenlicht und er verschwand aus meinem Blickfeld.
    - - -
    Wäre ich mutiger gewesen, wäre ich vielleicht umgekehrt, zu ihm zurückgelaufen, hätte seinen Namen gerufen und abgewartet, ob er mir ein weiteres Feuer entgegenschleudern oder mir verzeihen würde.
    Zu spät! Die Sonne zog sich wieder zurück, der Rauch verbarg alles, was in dieser Richtung lag, einschließlich Quitoon.
    Ich blieb eine halbe Stunde mitten auf der Straße stehen und hoffte, er würde aus dem Rauch heraus auf mich zukommen und unseren albernen Streit beenden.
    Aber nein. Als sich der Rauch verzogen hatte und ich die Straße wieder bis zum fernen Horizont überblicken konnte, war er fort. Ganz gleich, ob er schnell geradeaus gelaufen war oder die Straße verlassen hatte, um durch die Felder nach Mainz zu gehen, er war fort. Somit befand ich mich in einem unlösbaren Dilemma: Wenn ich in die Richtung weiterging, in die ich geflohen war, begab ich mich wieder in eine Welt, durch die ich ein Jahrhundert lang gezogen war, ohne je einen Menschen zu treffen, dem ich vertraut hätte. Machte ich andererseits kehrt und folgte der Straße nach Mainz, um mich mit Quitoon auszusöhnen, setzte ich mein Leben aufs Spiel.
    Aus einer rationalen Warte betrachtet, hing meine Zukunft davon ab, ob ich überzeugt war, dass er mich wirklich mit seiner Feuerwelle töten oder mir nur einen Schrecken einjagen wollte, weil ich ihn Dummkopf genannt hatte. Im Eifer des Gefechts war ich davon ausgegangen, dass er mir das Leben nehmen wollte, doch jetzt gestattete ich mir die Hoffnung, dass es nicht so gewesen war. Hatte ich im Sonnenlicht nicht sein Gesicht gesehen, das keine Spur mehr von der Abscheu und Wut erkennen ließ, die er für mich empfunden hatte?
    In Wahrheit spielte es gar keine Rolle, ob er mir vergeben hatte oder nicht. Es gab einen ganz einfachen Grund, weshalb ich die Frage nach Quitoons wahren Absichten aus meinen Gedanken verdrängen musste. Ich vermochte mir nicht vorzustellen, dass ich ohne seine Gesellschaft auf Erden existieren konnte.
    Was blieb mir also für eine Wahl? Wir hatten uns beide wie Narren mit Sonnenstich benommen: Quitoon, weil er so eine dumme Frage überhaupt erst gestellt hatte, und ich, weil ich nicht schlau genug gewesen war, sie einfach zu überhören. Nach dem ersten Wortwechsel hatten sich die Ereignisse überschlagen, zusätzlich befeuert durch die Tatsache, dass der Mais sich innerhalb von Sekunden in ein apokalyptisches Inferno verwandelt hatte.
    Na ja, jetzt war es geschehen. Und ich wusste tief im Herzen, dass ich es ungeschehen machen musste. Ich musste ihm folgen und die Konsequenzen auf mich nehmen, die unser Wiedersehen mit sich bringen würde.
    - - -
    Also, auf nach Mainz.
    Doch zuvor sollte ich wohl eine Frage ansprechen, an die Sie nach den Ereignissen auf der Straße vielleicht gedacht haben. Warum konnte Quitoon Feuer spucken oder zu einem explodierenden Ofen werden, wie vor 100 Jahren, als er den Pöbel im Wald tötete, während ich an den meisten Tagen schon froh war, wenn ich eine zufriedenstellende Verdauung hatte?
    Die Antwort darauf lautet Abstammung. Quitoon hatte eine, ich nicht. Er stammte von einem Dämonengeschlecht ab, dessen Stammbaum bis zu den Ersten Gefallenen zurückreichte, und die oberen 10.000 der Hölle besaßen schon immer Kräfte, die uns anderen einfach nicht in die Wiege gelegt wurden. Und wir können auch nicht so leicht lernen, was uns die Natur nicht mitgegeben hat.
    Nicht dass ich es nie versucht hätte. In den etwa 83 Jahren unserer gemeinsamen Reisen fragte mich

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