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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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vorübergetrampelt waren, kam ich aus meinem Versteck und begab mich wieder auf die Straße. Vor mir lag ein Waldstück, doch die Straßenbauer hatten beschlossen, sich keinen Weg durch das dichte Gehölz zu bahnen. Stattdessen vollzog die Straße eine Biegung um die Baumgrenze herum. Ich fand keinen Hinweis auf weiteres Feuer von Quitoon, und als die Straße mich zur anderen Seite des Wäldchens geführt hatte, sah ich auch den Grund dafür. Der Stadtrand von Mainz lag nur wenige Hundert Meter entfernt. Die Stadt unterschied sich in nichts von zahllosen anderen Städten, die Quitoon und ich schon besucht hatten. Eindeutig kein Hinweis darauf, dass hier etwas Weltbewegendes erdacht, geschweige denn realisiert wurde. Allerdings dürfte das zu einer bestimmten Zeit auch im Falle von Bethlehem so gewesen sein.
    Ich ging nicht schneller, sondern verlangsamte meine Schritte vielmehr, als ich die Straßen der Stadt erreichte, damit alle Bürger von Mainz, wenn sie mich ansahen, zu der Überzeugung gelangten, dieser Unglückselige, dem das Feuer so sehr das Gesicht entstellt hatte, sei darüber hinaus am ganzen Körper behindert. Eure Rasse besitzt eine abergläubische Furcht vor allen Hässlichen und Entstellten; ihr habt Angst, dieser Zustand könnte irgendwie ansteckend sein. Die gottesfürchtigen Mainzer bildeten keine Ausnahme von dieser Regel. Sie holten ihre Kinder von der Straße, wenn ich vorüberkam, und riefen ihre Hunde, damit sie mich von ihren Häusern vertrieben, allerdings kam mir kein einziger Hund unter, der seinem Herrchen so treu ergeben gewesen wäre, dass er mich angegriffen hätte.
    Und kam mir durch Zufall doch einmal ein Bürger zu nahe und meine eigenwilligen Schwänze zitterten im Beinkleid, so verfügte ich über ein gewisses Arsenal grotesker kleiner Zuckungen, mit denen ich sie unweigerlich vertrieb. Zum Beispiel ließ ich den Mund offen hängen, als wäre mein Geist vollkommen zerstört, ließ Sabber aus den Mundwinkeln laufen und blies grau-grüne Rotzbläschen mit den schorfigen Löchern mitten in meinem Gesicht aus, wo vor zahlreichen Feuern einmal meine Nase gewesen war.
    Ha! Das finden Sie ein wenig eklig, was? Ihre angewiderte Miene ist mir nicht entgangen. Jetzt versuchen Sie, es zu verbergen, aber mich täuschen Sie nicht mit diesem ach so unerschrockenen Gesichtsausdruck, als würden Sie jedes Geheimnis unter der Sonne kennen. Nicht einen Augenblick halten Sie mich zum Narren. Ich beobachte Sie jetzt schon eine ganze Weile. Ich rieche Ihren Atem und spüre die Berührung Ihrer Finger, wenn Sie die Seiten umblättern. Ich weiß mehr, als Sie je für möglich halten würden; und viel mehr, als Sie preisgeben wollten. Ich könnte Ihnen eine Liste der Masken zusammenstellen, die Sie aufsetzen, wenn Sie etwas vor mir verbergen wollen. Aber glauben Sie mir, ich sehe sie trotzdem. Ich sehe alles – die Lügen und ebenso deutlich die abscheuliche Wahrheit dahinter.
    Oh, da wir gerade so nett miteinander plaudern, sollte ich Sie noch wissen lassen, dass dies die letzte Episode aus meinem Leben ist, die ich Ihnen mitteile. Warum? Weil es danach nichts mehr zu sagen gibt. Danach liegt die Geschichte buchstäblich in Ihren Händen. Und Sie gewähren mir doch den Feuertod, oder nicht? Ein letztes Feuer in einem von Feuern geprägten Leben. Dann haben wir es beide überstanden.
    Dann fährt Mister B. zur Hölle.
    Aber zuvor muss ich die Geheimnisse des Gutenberg-Hauses preisgeben: Geheimnisse hinter mehreren massiven, gewöhnlichen Holztüren, und, hinter einer letzten Tür aus Licht, ein größeres Geheimnis, als es selbst Gutenberg jemals erfunden haben könnte.
    - - -
    Ich gehe davon aus, dass Sie mich nicht übers Ohr hauen, wenn ich Ihnen die ganze Wahrheit geschildert habe. Haben Sie verstanden? Es stimmt, ein Dämon niederer Geburt besitzt nicht die Gabe, große Magie zu wirken, aber Zeit, Einsamkeit und Zorn können selbst den geringsten Kreaturen die Macht verleihen, die ein langes Leben schlicht und einfach mit sich bringt. In der Hölle bezeichnen die Doktoren der Folterqualen diese Peinigungen als die Fünf Qualen: Schmerz, Kummer, Verzweiflung, Wahnsinn und die Leere.
    Nach einem Jahrhunderte währenden Leben verfüge ich über hinreichende Kräfte, dass ich Ihnen jede einzelne der fünf zufügen kann, sollten Sie mir das versprochene Feuer verweigern.
    Die Luft zwischen diesen gedruckten Worten und Ihren Augen ist gefährlich instabil geworden. Und zu Beginn waren Sie offenbar

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