Fahrstunde in den Tod (Emsland-Krimi) (German Edition)
minus zehn Grad und
tagsüber ließ der kalte Ostwind die Temperaturen noch eisiger erscheinen, als
sie es eh schon waren. Sehnsüchtig warteten die Menschen auf ein Zeichen des
kalendarisch bereits begonnenen Frühlings. Zu Ostern schneite es heftig und
bedeckte das Emsland mit einer dicken Schicht Schnee. Die Wetterkapriole des letzten
Sonntages, als die Tageshöchsttemperatur kurzzeitig bei 18 Grad plus lag,
hatten die Leute längst vergessen.
Der
Fahrer eines kleinen Baggers hatte allerdings keine Probleme, ein Loch von zwei
mal einem Meter und einer Tiefe von noch mal zwei Metern in den tiefgefrorenen
Boden zu graben. Nach einer halben Stunde beendete er seine Arbeit und verließ
den Friedhofsbagger, warf einen prüfenden Blick in das Loch und nickte.
»Das
wird reichen«, sagte er zu seinem Kollegen, der mit einer Schaufel rings um das
Grab herum die Erde begradigte.
Als
er damit fertig war, stützte er sich auf der Schaufel ab und sah aus wie ein
Arbeiterdenkmal. »Wir haben noch zwei heute«, antwortete er und steckte sich
eine Zigarette an.
Der
Baggerfahrer zog gelangweilt die Schultern hoch. »Was soll´s, solange die Leute
sterben, haben wir Arbeit, Franz.«
Franz
nickte, zog noch zweimal an der Zigarette und schnippte die Kippe ins Grab.
Dann bedeckte er sie mit einer Schaufel Sand.
Sie
legten noch grüne Matten an die Grabränder und zwei Balken über das Loch und
verschwanden samt Bagger in Richtung Leichenhalle. In dem für sie über die
kalte Jahreszeit übergangsweise eingerichteten Aufenthaltsraum wollten sie eine
Pause im Warmen einlegen. Die hatten sie sich verdient.
Zur
gleichen Zeit vollzog sich in der Innenstadt von Meppen etwas
Außergewöhnliches, noch nie Dagewesenes. Später sprachen die Meppener noch
lange über dieses Ereignis. Ein Auto-Korso von etwa zwanzig
Fahrschulfahrzeugen, alle mit schwarzen Bändern an den Antennen und den
Türgriffen, folgte einem dunklen Leichenwagen. Auf dem Dach des Leichenwagens
hatte Rainer Olfens, der Organisator dieses Spektakels, ein Fahrschulschild
befestigt. Den Wagen fuhr er selbst. Kein Thema! Er trug schwarze Klamotten und
hatte ein gleichfarbiges Capi auf dem Kopf. Vor dem Leichenwagen fuhren sechs
Motorräder Spalier.
Langsam
bewegte sich der Tross durch die Innenstadt. Ein Freund von Olfens, der bei der
Feuerwehr gearbeitet hatte und sich mittlerweile im Ruhestand befand, regelte
den Verkehr an den Ampelkreuzungen. Zum feierlichen Anlass trug er seine
Feuerwehruniform mit Schirmmütze, die bei den anderen Verkehrsteilnehmern so
etwas wie eine Amtsautorität erzeugte. Irgendwie sah er aus wie ein Polizist,
der den Verkehr regelte und mit seiner Winkerkelle verschaffte er sich Respekt.
Da
es sich um einen angemeldeten und genehmigten Umzug handelte, wurden die Ampeln
auch bei Rotlicht überquert. Der Feuerwehrmann außer Diensten sperrte mit
ausgebreiteten Armen die Kreuzung einfach ab.
Winkler
war am Vormittag durch Olfens über diese Aktion informiert worden, nun stand er
an der Ampel an der Emsstraße und schüttelte verwundert den Kopf, als die
Fahrschulfahrzeuge die Brücke überquerten. Er warf einige Blicke in die
vorbeifahrenden Fahrzeuge und erkannte nur traurige Gesichter.
»Anscheinend
hatte er nicht nur Neider und Feinde«, sagte Winkler, »sonst würden die das
Theater hier nicht mitspielen.«
Petra
Vogt, die anstatt des verhinderten Eckelhoff mit ihrem Chef die Trauerfeier
beobachtete, schüttelte den Kopf. »Wer weiß, was Olfens denen versprochen hat?
Bestimmt machen nicht alle freiwillig hier mit«, mutmaßte sie und blickte dem
letzten Fahrzeug hinterher. Es gehörte zur Fahrschule Schuster und wurde durch
die Fahrlehrerin gelenkt, die die beiden Polizisten mit einem Kopfnicken
grüßte.
»Dann
lass uns hinterherfahren. Oder drehen die noch ein paar Runden? Ich höre schon
die ersten Hupkonzerte. Hoffentlich biegen die nicht auf die B 70 ab, dem
Olfens ist alles zuzutrauen.«
Gegen
vierzehn Uhr hatte sich die Kapelle an der Leichenhalle bis auf den letzten
Sitzplatz gefüllt und hinter den Sitzplätzen standen sie eng gedrängt. Winkler
und Vogt zwängten sich durch die Menge und stellten sich rechts an die
Fensterseite, dort befanden sich die Heizkörper. Leise Musik dudelte aus den
Lautsprechern, Winkler sah sich um und so manch einer der Trauergäste hielt die
Augen geschlossen. Wohl um ein Nickerchen zu machen, dachte er.
Dann
trat ein Geistlicher, gefolgt von zwei jungen Ministranten, gemächlichen
Schrittes
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