Fahrstunde in den Tod (Emsland-Krimi) (German Edition)
Mandant Schuster wird heute beerdigt, sie wissen davon?«, begann
sie mit der ersten Frage und rutschte in dem Sessel nach hinten.
»Ja,
natürlich. Ich werde ihn auf seinem letzten Weg begleiten.« Über sein Lächeln
legte sich eine, wie Petra meinte, geheuchelte Trauermiene. Er schlug die Beine
übereinander, zeigte schicke Schuhe aus Schlangenleder und faltete seine über
das Knie gelegten Hände wie zum Gebet. Im hellen Licht der Deckenstrahler
blitzten die Steinchen an seiner Armbanduhr.
»Zwei
Kollegen von uns werden auch dort sein. Aber wir suchen Sie nicht wegen einer
Trauerrede auf, Herr Sperber. Ich möchte etwas über die Geschäfte ihres
Mandanten erfahren«, bemerkte sie und dachte dabei an das arme Tier, aus dem
die Schuhe gemacht worden waren. Dann rutschte sie im Sessel wieder nach vorne.
»Und
wir hätten ganz gerne die Bilanzen der Fahrschule Schuster. Die der letzten
fünf Jahre bitte«, ergänzte de Boer. Er hatte Sperber beobachtet, der Mann und
sein Gehabe gefielen ihm nicht.
»Mal
ganz langsam, liebe verehrte Polizisten. So einfach, wie Sie sich das
vorstellen, ist das nicht. Es gibt, wie Sie bestimmt wissen, ein
Steuergeheimnis.« Sperber lehnte sich in seinem Sessel zurück und wechselte die
Beinstellung.
Petra
Vogt suchte eine neue Sitzposition und rutsche ein paar Zentimeter nach links.
Der Sessel sah ja gut aus; in ihm zu sitzen wurde so langsam zur sportlichen
Herausforderung.
»Bei
Verstorbenen gibt es keine Steuergeheimnisse mehr, wie Sie bestimmt wissen,
lieber Herr Steuerberater«, äffte Keno de Boer ihn nach und zog sein Smartphone
aus der Jackentasche. Schnell tippte er darauf herum und hielt es dann an sein
Ohr. Er wartete kurz, lächelte Sperber dabei an.
»Hallo
Manfred, ja, ja, danke, es geht mir gut«, sagte er und blickte an Sperber
vorbei in Richtung eines Ölschinkens, der an der Wand hing und möglicherweise
den Gründer der Kanzlei darstellen sollte. Der Mann auf dem Bild wies eine
frappierende Ähnlichkeit mit seinem Gegenüber auf. »Du, sag mal, hast du heute
noch Zeit, nach Meppen zu kommen?« Sperber zog die Stirn kraus und Petra Vogt
lächelte in sich hinein.
Was
soll das Gequatsche?, dachte Sperber, will der mich verarschen oder was zieht
der junge Bursche hier für eine Nummer ab?
»Nee,
nicht sofort. Es reicht, wenn ihr morgen hier in Meppen anfangt. Aber ich rufe
gleich nochmal an. Bis später, Grüße zurück.« Er steckte das Handy in seine
Tasche und warf einen weiteren Blick auf das Ölgemälde. Könnte auch der
Großvater von Sperber sein.
Petra
beobachtete ihren Kollegen und wurde nicht ganz schlau aus seiner
Vorgehensweise. Was hat er denn jetzt vor? Sie rätselte und wollte sich
überraschen lassen. Aber erst mal die Sitzposition wechseln, sagte sie sich und
rutschte wieder zehn Zentimeter nach rechts. So langsam nervte sie das
Möbelteil, aber das war nur Nebensache. Interessiert beobachtete sie ihren
Kollegen.
»Wo
haben Sie angerufen?«, fragte Sperber. Ihm ging das Theater hier so langsam auf
den Sack. Er hatte wichtige Dinge auf seinem Schreibtisch liegen.
»Beim
Finanzamt. Bei der Steuerfahndung. Mein Bruder arbeitet dort. Ich habe ihn
heute Morgen schon gesprochen und ihn kurz über die Geschäfte Ihres Mandanten
informiert. War aber nur eine informelle Anfrage. Er zeigte sich sehr
interessiert über unseren Fall, wartet auf mein Zeichen. Er würde sich gerne
hier umsehen. Soll ich nochmal anrufen? Vielleicht können sie es einrichten und
heute noch kommen.«
Der
Steuerberater spitzte die Ohren, wechselte seine Gesichtsfarbe und zuckte
zweimal mit dem rechten Auge. »Ist in Ordnung, wie war nochmal Ihr Name?«,
hüstelte er mit trockenem Mund.
»De
Boer, Keno de Boer.«
»Was
wollen Sie denn wissen?«, fragte er und durchsuchte in Gedanken das
Namensverzeichnis der Mitarbeiter des Finanzamtes. Er kannte keinen
Steuerfahnder mit diesem Namen. Möglicherweise trug der Fahnder den Namen
seiner Frau? Oder bluffte der lange Kerl? Alles war denkbar. Er verwarf seine
Überlegungen und gab sich erst mal weiter verschlossen. Mit der Taktik sollte
er aber kein Glück haben, das ist ihm dann später klar geworden.
»Zuerst
geben Sie Ihrer Sekretärin den Auftrag, die Bilanzen von Schusters Fahrschule
der letzten fünf Jahre rauszusuchen. Und zwar jetzt sofort!«
Sperber,
völlig überrascht über den von de Boer angeschlagenen Ton, zögerte nicht lange.
Er erhob sich blitzartig, ging zum Schreibtisch und beauftragte seine
Sekretärin per
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