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Fahrt ohne Ende

Fahrt ohne Ende

Titel: Fahrt ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Klönne
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erinnerst du dich noch, damals im Schwarzwald haben wir uns mal getroffen. Ich hab‘ dich nachher aus den Augen verloren, der Teddy und die anderen sind ja oft mit uns zusammen, aber du warst nie dabei — darf ich dich mal besuchen, Hepp? «
    »Gern, Wolf. Wenn du willst: heut nachmittag. In der Haferstraße wohne ich, im Ostviertel, Nr. 36. Du darfst gern kommen!«
    »Fein, dann bis nachher!«
     
    * * *
     
    Das Haus Nr. 36 in der Haferstraße war eine großartige Villa. Als Wolf geklingelt hatte, öffnete ein Mädchen die Tür:
    »Ja, bitte, wen darf ich melden?«
    »Ich bin Wolf Gecken, ich möchte zu Hepp Siegel.«
    Aber da wurde Wolf schon seiner Verlegenheit enthoben. Eine Stimme rief von oben herunter:
    »Bist du‘s, Wolf? Dann komm‘ rauf!«
    Das Dienstmädchen wies mit der Hand zur Treppe, sagte etwas schnippisch:
    »Bitte, mein Herr«, und Wolf stieg die Treppen hinauf, nach alter Gewohnheit immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Auf halber Höhe kam ihm Hepp entgegen:
    »Entschuldige, Wolf, ich konnte nicht sofort herunterkommen, ich hatte gerade den Tuschepinsel in der Hand — so, dies ist meine Bude. Bitte setz dich. Wenn du willst, zeig‘ ich dir gern meine Tuschezeichnung.«
    Wolf war sehr eingenommen von Hepps Kunst.
    »Darf ich dich um etwas bitten?«
    »Natürlich, keine Umstände, Wolf I«
    »Im Logbuch unserer Gruppe steht immer noch eine Seite frei; damals von der Schwarzwaldfahrt her noch. Kannst du dieser Lücke nicht mal abhelfen durch eine Zeichnung?«
    »Sicher kann ich das. Und ich tu‘s sogar, wenn du mir euer Logbuch mal mitbringst. So. Sag mal, Wolf«, und Hepp setzte sich in einen Sessel, »weshalb besuchst du mich eigentlich, mal abgesehen von dem Logbuch und der Lücke darin?«
    »Warum, ich dich besuche? Weil ich mich entschuldigen will. «
    »Wieso entschuldigen?«
    »Erinnerst du dich noch an das Gespräch neulich im Luftschutzkeller in der Penne? Wie du dann aufgestanden bist? Das war feig von mir, daß ich da geschwiegen habe. Das wollte ich dir sagen.«
    Hepp schwieg für ein paar Minuten. Dann sagte er:
    »Ja. Ganz klar: das war feige von dir. Du hättest die Redensarten von den Leuten nicht einfach hinnehmen dürfen. Aber, weißt du: Fallen ist keine Schande. Nur Liegenbleiben, das ist eine Schande. Und es freut mich, daß du zu mir gekommen bist, übrigens, was macht eigentlich eure Gruppe? Ich höre so ab und zu mal von Teddy, was ihr macht — hast du Verbindung mit Jürgen? Wo steckt er jetzt?«
    Wolf erzählte Hepp von ihrer Gruppe, von Jürgen, von den Erlebnissen in der Tschechei und ganz zuletzt auch von dem Eindruck, den neulich der HJ.-Aufmarsch auf ihn gemacht hatte.
    Hepp lachte:
    »Das ist nichts Neues. Ich war auch schon mal in Versuchung, hinter der Fahne mit der Siegrune herzulaufen. Aber dann hab‘ ich mich gefragt: marschieren die Jungen da mit, weil sie sich für die Sache der Nazis entschieden haben, oder meinetwegen auch, weil sie volles Vertrauen in ihre Führer setzen? Oder marschieren sie nur mit, weil die Uniform, die Trommeln, die marschierende Masse sie anlockt? Und die Antwort war eindeutig für mich.
    Ich sage nichts gegen die Jungen, die bei der HJ. aus Überzeugung mitmachen, wenn auch eben aus falscher Überzeugung — aber die meisten laufen ja nur aus Bequemlichkeit mit. Die meisten berauschen sich daran, daß sie im Gleichschritt der Kolonnen singen können: ,Unsre Fahne ist mehr als der Tod‘ — und wenn man genau hinsieht, dann ist ihnen das Leben doch lieber als ihre Fahne, dann ist ihnen jedes erbärmliche Vergnügen lieber als ihre Fahne. Aber was dich angeht, Wolf, so mußt du dich damit abfinden, daß über euch«, lächelnd setzte er dann hinzu, »und über uns allen keine sichtbare Fahne weht. Du hast es doch früher oft gesungen: ,Unsere Fahne ist die Treue‘. Das ist so, Wolf. Ob wir mit dieser unserer Treue es freilich jemals zuwege bringen, daß uns auch ,draußen‘ wieder einer hört — ich weiß es nicht. Im Grunde ist vielleicht doch alles umsonst...«
    »Nein, umsonst ist nichts«, sagte Wolf da entschieden. Er fügte lächelnd hinzu: »Es war ja auch nicht umsonst, daß du damals protestiert hast, bei dem Gespräch im Luftschutzkeller. Durchaus nicht umsonst!«
    »Nein, das war es nicht«, bestätigte Hepp.
    »Siehst du. Wir müssen freilich eines tun: nicht nur verteidigen; wir müssen angreifen! Ich weiß da ein paar Jungen in meiner Parallelklasse, die müßte ich in unsre Gruppe holen. Und — du müßtest

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