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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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gemeinsam an ihre Sicherheit dachten.
    »Der Hof ist unbeleuchtet«, beschrieb Lüder die Lage. »Nachts brennt nicht einmal eine einsame Funzel. Wir können nur hoffen, dass wir Mondlicht haben. Da es ermüdend ist, sollten wir jeweils zwei Mann für eine Wache abstellen.«
    »Ich werde die Matrosen einteilen«, erklärte Kalynytschenko.
    »Je Wache werden jeweils ein Matrose und ein Offizier aufpassen«, sagte Lüder.
    »Sie haben hier überhaupt nichts anzuweisen.« Der Ukrainer wollte sich nicht von Lüder bevormunden lassen.
    Lüder wischte Kalynytschenkos Antwort mit einer Handbewegung vom Tisch.
    »Eine Wache werden sich jeweils ein Offizier und jemand von der Mannschaft teilen. Zu den Offizieren zähle ich auch Mr.   Schöster, Hein Piepstengel und mich. Dann wären wir zu sechst. Das bedeutet für jeden eine Wachzeit von zwei Stunden.«
    »Sind Sie größenwahnsinnig, sich und den Maschinisten mit zu den Offizieren zu zählen?«
    Lüder trat dicht an Kalynytschenko heran und baute sich vor ihm auf. »Eines verspreche ich Ihnen: Wenn wir dieses Gefängnis verlassen haben, werden wir beide uns auf einer anderen Ebene unterhalten.«
    Der Erste Offizier sah sich um und blickte der Reihe nach die Mitglieder der Besatzung an. »Habt ihr das gehört? Der hat mich bedroht.«
    »Wie Sie es formulieren, ist mir ziemlich gleich. Ich habe Ihnen zu keiner Zeit Gewalt angedroht noch dass Sie um Gesundheit oder Leben fürchten müssen. Es gibt eine andere Gerechtigkeit.«
    Kalynytschenko lachte höhnisch auf. »Jetzt ist er komplett durchgedreht und spricht schon wie die Piraten von einer göttlichen Gerechtigkeit.«
    »Sie hören mir nicht zu. Ich sprach von einer höheren Gerechtigkeit. Die kann durchaus irdischer Natur sein.«
    »Da bin ich gespannt.« Der Ukrainer lachte höhnisch auf.
    »Das dürfen Sie.«
    »Mr.   Kalynytschenko«, unterbrach der Kapitän das Geplänkel. »Nehmen Sie die Wacheinteilung vor.«
    Widerwillig folgte der Erste Offizier der Anweisung.
    Lüder zog sich in eine Ecke zurück. Ihn quälte es, nicht zu wissen, wie der Informationsstand in der Heimat war. Er war sich sicher, dass hinter den Kulissen fieberhaft daran gearbeitet wurde, das Schicksal der Geiseln und auch seines aufzuklären. Lüder wusste, dass kluge Leute wie Nathusius und Große Jäger ihn nicht im Stich ließen und alles daransetzen würden, ihn aufzuspüren. Aber welche Möglichkeiten boten sich den Schleswig-Holsteinern? Was konnten sie unternehmen? Reimten sie sich zusammen, dass man Lüder entführt hatte? Oder war die Stimmung schon so weit umgeschlagen, dass man mit Schlimmerem rechnete? Es war eine Situation, die an den Nerven zerrte, ihm Angst und Sorge bereitete.
    Jetzt stand ihnen wieder eine Nacht voller Ungewissheit bevor. Am liebsten hätte er Piepstengel gebeten, auch ein Auge auf ihn selbst zu werfen. Er vertraute dem Hamburger als Einzigem in dieser Runde. Kapitän Syrjanow würde auch keine Gewaltakte billigen, und der Zweite Offizier Wang Li hatte sich bisher neutral und passiv verhalten. Die größte Gefahr ging vom unberechenbaren Kalynytschenko aus. Und Hans-Günter Schöster verbarg irgendein Geheimnis. Der Mann war ebenso unnahbar wie undurchsichtig.
    Lüder würde es nicht durchhalten, die Nacht über wach zu bleiben. Irgendwann würde ihn der Schlaf übermannen, auch wenn es in diesem Verlies nicht auszuhalten war. Die Luft war stickig und schlecht und ließ kaum Platz zum Atmen. Der Gestank war unerträglich. Sensibleren Naturen würde er auf den Magen schlagen. Unmengen von Insekten schwirrten um ihre Köpfe. In einer Ecke lag der tote Matrose, und nachts, wenn es hier Ratten gab … Lüder wollte den Gedanken nicht zu Ende führen.
    Er versuchte sich abzulenken, indem er bei der Frage, wer die Söldner beauftragt hatte, alle Möglichkeiten in Betracht zog. Wenn die Männer über Land gekommen wären, hätten sie im Auftrag eines Warlords handeln können, der in Konkurrenz zum Anführer ihrer Kidnapper stand. Würden die Geiseln getötet, würde der Anführer der Piraten unglaubwürdig. Außerdem hätte er das Lösegeld verwirkt und könnte sich nicht refinanzieren. Das würde ihn im Kampf um die regionale Vormachtstellung schwächen und seinem Konkurrenten Vorteile verschaffen. Wenn das Kidnapping der »Holstenexpress« aber mit Duldung der Verantwortlichen der Regionalregierung Puntlands in Garoowe erfolgte, hätten sie es mit einem Gegner zu tun, der diese bekämpfte. In Somalia war alles

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