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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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rutschte.
    »Nun plaudern wir ein bisschen miteinander.«
    Lüder registrierte im Halbdunkel, wie Schöster ihn von der Seite musterte. Aber der Mann schwieg beharrlich weiter.
    »Was haben Sie mit der Ladung zu tun, die in Indien verschifft wurde?«
    »Muss ich der Presse Auskunft erteilen?«
    »Betrachten Sie mich nicht als Journalisten, sondern als jemanden, der überlegt, wie wir alle dieser Hölle entfliehen können.«
    »Dann schmieden Sie doch tollkühne Fluchtpläne. Absurd.«
    »Uns allen wäre damit gedient zu wissen, weshalb man uns hier festhält.«
    »Wie naiv sind Sie eigentlich? Uns von der Besatzung hält man fest, weil man von der Reederei ein Lösegeld erpressen will. Und Sie sind hier, weil Sie Ihre sensationslüsterne Neugierde befriedigen wollten.«
    Wenn du wüsstest …, schweiften Lüders Gedanken kurz ab.
    »Es ist ungewöhnlich, dass bisher keine Forderung der Piraten eingegangen ist.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Wie aktuell ist Ihr Stand?«
    »Aktuell genug.«
    »Nein«, widersprach Schöster. »Üblicherweise werden die Verhandlungen über das Lösegeld diskret geführt. Man fürchtet Nachahmer. Deshalb gibt es Stillschweigen über das Verhandlungsergebnis. Ich habe aber Zweifel, dass Sie im Lösegeld eingeschlossen sind. Für Sie würde ich einen Extrabonus verlangen.« Schöster schien zu überlegen. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Sie würde ich …« Er fuhr sich mit der flachen Hand am Hals entlang, die unmissverständliche Geste des Halsabschneidens. »Ich hätte Befürchtungen, dass Sie verfälschte Artikel über Ihre Erlebnisse verfassen würden.«
    »Es wirkt so, als würden Sie vor Gelassenheit nur so strotzen«, sagte Lüder.
    »Kann ich etwas anderes machen als warten?«
    Immerhin war es Lüder gelungen, Schöster zum Reden zu bewegen. Die Aussprache des Mannes klang ungewöhnlich. Es war keine Mundart, die Lüder sofort zuordnen konnte.
    »Sind Sie Auslandsdeutscher?«, fragte er.
    »Ich gebe keine Interviews.«
    »Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, in welchem Zusammenhang Sie persönlich mit den indischen Containern stehen.«
    Schöster drehte den Kopf zur anderen Seite und signalisierte damit, dass er nicht bereit war, die Unterhaltung fortzusetzen.
    »Mr.   Syrjanow«, sagte Lüder und übersetzte eine Kurzfassung des auf Deutsch geführten Gesprächs für den Kapitän ins Englische. »Sie sind auf dem Schiff der Entscheider. Von Ihnen hängt viel ab. Vergessen Sie nicht die Verantwortung, die Sie für Schiff und Besatzung tragen. Ich halte Sie für einen rechtschaffenen Mann. Was wird hier gespielt?«
    Zunächst schien es, als wollte auch der Kapitän schweigen. Dann überwand sich Syrjanow.
    »Das frage ich mich auch schon eine Weile. Sicher muss man in diesen Gewässern mit dem Risiko eines Kaperns rechnen. Das ist allen Seeleuten bekannt. Ich teile auch nicht Ihre Auffassung, dass hinter dem Überfall etwas anderes steckt als ein ganz ordinärer Überfall von Piraten, sondern stimme meinem Zahlmeister zu: Die Verhandlungen werden geheim geführt. Es liegt weder im Interesse der Reedereien noch der Entführer, das publik werden zu lassen.«
    »Gilt das auch für die indischen Container?«
    Syrjanow dachte eine Weile nach und schien abzuwägen, welche Informationen er preisgeben durfte.
    »Sie irren auch in diesem Punkt«, erklärte der Kapitän schließlich. »Natürlich kenne ich nur die Ladepapiere. Für die Ladung ist der Ladungsoffizier zuständig. Das ist bei uns Mr.   Kalynytschenko.«
    »Aber Sie wissen, was in den Containern ist? Ich glaube nicht, dass ein so erfahrener und umsichtiger Kapitän wie Sie uninformiert oder gar desinteressiert ist«, schmeichelte ihm Lüder. Es wirkte.
    »Bei über fünftausend Containern an Bord kann man nicht jedes Detail kennen. Natürlich verschaffe ich mir einen Überblick über unsere Fracht.«
    »Was anderes hatte ich von Ihnen nicht erwartet. Und? Was steht in dem Konnossement?«
    »Maschinenteile.«
    Lüder wiederholte es ungläubig. »Aus Indien? Wenn Sie so etwas in China oder Korea für Europa laden, verstehe ich es. Aber Indien ist doch ungewöhnlich. Seit wann produzieren die Inder für den europäischen Markt Maschinenteile?«
    »Kapitän. Sir«, mischte sich jetzt der Erste Offizier formell ein. »Ich muss darauf bestehen, dass Sie das Gespräch abbrechen und keine weiteren Informationen weitergeben. Es ist Ihre Pflicht gegenüber Reeder und Versender, Diskretion zu wahren.«
    »Doch nicht in

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