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Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Titel: Fahrtenbuch - Roman Eines Autos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Maak
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verliefen; nur am Wochenende parkten die Limousinen aus der Stadt auch hier; die Leute kamen mit ihren Familien und gruben Löcher, die sie mit Muschelschalen dekorierten, gingen in die kleinen Restaurants unten am Strand und aßen Muscheln und Austern. Am späten Abend verschwanden sie dann wieder, und auf der Sandpiste parkten nur noch die rostigen Busse der Surfer.
     
    Über der Biskaya türmten sich in diesen Tagen schwere Wolken. Tomiko hatte einen dunkelblauen Kapuzenpullover an; sie war braungebrannt wie ihr Bruder, ihre Haut hatte die Farbe des Teakholztisches am Kamin. Sie trug silberne Sandalen mit hohen Korkabsätzen, die die Muskeln ihrer Unterschenkel hervortreten ließen. Vom Meer zogen Wolken auf, ein leichter Wind blies Muster in den Sand. Tomiko saß vor dem Haus auf einer Bank in der Sonne und schaute auf eine alte Büste, die auf dem freien Platz stand und ihren Großvaterdarstellte. Ein Schüler von Aristide Maillol hatte sie in den vierziger Jahren angefertigt; sie zeigte den Großvater mit einem imposanten Schnurrbart und dichten Augenbrauen.
     
    Am Strand waren um diese Zeit nur wenige Leute. Ein Nackter, der nur mit einer Baseballkappe der New York Yankees bekleidet war, rannte an der Düne entlang und versuchte, einen Plastikdrachen steigen zu lassen. Seine Frau stand weiter unten an der Brandung, schaute angestrengt aufs Meer und tat so, als ob sie mit dem Mann nichts zu tun habe. Auch das Kind, dem die ganze Anstrengung galt, hatte seinem Vater den Rücken zugedreht und grub ein Loch in den Sand. Tomiko beobachtete eine Weile, wie der Mann mit schlenkernden Testikeln über den Sand raste, einen Arm in die Luft gereckt, am dünnen Nylonfaden reißend. Dann ging sie wieder ins Haus.
     
    Das Wetter wurde besser, und dann brach die Zeit der Windstille und der Hitze an; die Handtücher bekamen Salzränder und weiße Krusten von der Sonnenmilch, und die Zeit versandete wie der Ort. Tomiko verbrachte die Tage in der Hängematte und stand nur auf, um sich ein Bier zu holen oder ein Sandwich zu machen. Stundenlang dämmerte sie im Schatten einer Pinie vor sich hin, und in ihren Halbschlaf drangen ferne Stimmen, die Rufe und das Geschrei der Kinder, die weiter unten am Strand spielten, und manchmal das Auto mit dem Megafon, aus dem Wortfetzen herüberwehten, dann versank der Tag wieder in der Stille eines hohen, farblosen Himmels. Später rissen Rauchschwaden und verkohlte Zeitungsfetzen, die über den Strand segelten, Tomiko aus dem Schlaf. Percy stand am Grill; sein Kopf war brandrot, der Schweiß lief ihm über die Stirnfalten und hinterließ auf seinem Hemd dunkle Flecken; er goss sich Wasser über den Kopf, und als er sich an den Tisch setzte, roch er nach Ruß und Bier und Aftershave.
     
    Das Meer war ruhig in diesen Wochen, bei Ebbe lag es erschöpft hinter der zweiten Sandbank. Die Tage waren so heiß, dass die Luft über dem Sand flimmerte und die Pinien knackten.
    Mittags musste Tomiko die Sonnenbrille absetzen, weil ihr der Schweiß in die Augen lief. Die Holzterrasse, auf der sie saß, verschwand langsam unter dem Sand.
     
    Sie frühstückten gemeinsam ab elf; dann gingen die Minderbergs schwimmen, Percy verschwand in seiner Bibliothek und hörte die Siebte von Beethoven – manchmal lief eine Stunde lang, in automatischer Wiederholung, nur der 2. Satz –, während er mit der Lupe eine im 19. Jahrhundert angefertigte Kopie von Luca Signorellis Maria Magdalena untersuchte, die er bei einem Antiquar in San Sebastián gekauft hatte. Yutaka und Tomiko lagen in ihren Hängematten und rauchten und blätterten in Modezeitschriften herum und cremten sich gegenseitig ein. Die Druckerschwärze an ihren Fingern mischte sich mit der Sonnenmilch und hinterließ seltsame Arabesken auf ihren Körpern.
     
    Percys Hund arbeitete sich mit schleifendem Bauch durch den tiefen Sand. Es war ein Cockerspaniel, Percy hatte ihn vor vielen Jahren für die Kinder gekauft; jetzt war der Hund alt und fett geworden, sein Fell war stumpf, der Blick trüb und sein Bellen heiser. Sie gaben ihm zu viele Essensreste, und wenn der Hund die wenigen Treppen zum Eingang hochsteigen musste, schlug er mit dem Bauch auf und warf seinem Herrchen vorwurfsvolle Blicke zu. Der Hund war eine bellende Ruine, aber wenn er nicht da gewesen wäre, hätte er ihnen gefehlt.
     
    Manchmal ging Yukata auf sein Zimmer, um für sein Examen zu lernen. Manchmal kam er mit, wenn Tomiko eines der Surfbretter holte, die in der Garage standen,

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