Faith (German Edition)
untergehen.“
„Aber du kennst sie, die hellere Welt, die Welt meiner Mutter?“
„Oh ja, sie ist schön!“
„Wer, meine Mutter?“
Richard lachte laut auf. „Hast du Magalie je gesehen?“
„Manchmal, im Traum.“ Die Antwort kam leise.
Richard spürte die tiefe Traurigkeit und eine verzweifelte Sehnsucht, die aus diesen Worten sprach.
„Bis ich dich gesehen habe, dachte ich, Magalie sei die schönste Frau der Welt. Du bist ihr unglaublich ähnlich. Ich hab mich in dich verliebt, als ich zum ersten Mal dein Klassenzimmer betrat. Ich wusste sofort, dass ich mich niemals dem Wunsch meines Vaters würde beugen können, dich ihm auszuliefern. Und jetzt bin ich mit dir auf dem Weg zu ihm“, fügte er bitter hinzu.
„Du hast keine Schuld daran, das ist ganz allein Annabelles Verdienst.“
Richard übernahm jetzt die Führung.
Ohne dass sie es bemerkt hatten, war es finster geworden. Der Mond hing als hauchdünne Sichel hinter vorüberziehenden Wolken am Himmel.
Die schwarze Silhouette des Waldes verschwamm fast völlig mit ihrem Hintergrund.
Dennoch fand Richard seinen Weg ebenso sicher wie am Tage.
Faith hörte die Hexe.
„Du kennst ja den Weg, den Faith gehen muss, um ihr Ziel zu erreichen, Richard.“
Sie sah ihn aufmerksam an. Als er unmerklich nickte, wandte sie sich zufrieden um und verschwand ebenso schnell, wie sie gekommen war.
Richard nahm wieder die Zügel der Stute.
Er hatte sehr wohl die Doppeldeutigkeit von Elsabes Frage verstanden. Es war nicht der Weg zu seinem Vater gemeint. Sie sprach von der Prophezeiung, die Faith zu erfüllen hatte.
Würde er es schaffen, ihr dabei zu helfen und sich gegen Leathan zu stellen? Er wollte ihr helfen, weil er sie liebte, aber der Dunkelalb war ein verteufelt starker und unerbittlicher Gegner.
„Wohin gehen wir? Ich bin müde.“
Faiths Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Sie waren schon tief in den Wald eingedrungen. Tannennadeln knirschten unter ihren Füßen auf dem weichen trockenen Boden.
„Es gibt hier eine kleine Hütte, in der ich oft Zuflucht gesucht habe, wenn ich allein sein wollte. Dort können wir übernachten. Wir sind bald da.“
Leathan wartet
Leathans Ungeduld war nicht zu übersehen. Seine sonst so eleganten fließenden Bewegungen waren abgehackt und fahrig geworden. Die Sohlen seiner Stiefel hackten auf die Steinfließen, während er nervös vor dem lodernden Feuer des gewaltigen offenen Kamins hin- und herlief. Er schüttete den Wein förmlich in sich hinein. Seine Jagdgenossen saßen an langen Tischen, aßen, lachten und prahlten mit ihren tatsächlichen oder ausgedachten Heldentaten bei der letzten Jagd. Der weiße Hirsch allerdings war ihnen entkommen.
Leathan grübelte und fragte sich erneut, ob er hereingelegt worden war. Er hatte seine Zweifel, dass der weiße Hirsch wirklich ein Hirsch gewesen war. War er nur erschienen, um ihn und seine Jäger abzulenken?
Wer aber wollte ihn wovon ablenken? Magalie?
Womöglich hatte ihn das Gefühl, dass Richard zurück in der Anderswelt war, doch nicht getrogen. Aber seine Gefährten waren nicht aufzuhalten gewesen. Er konnte sie nicht abhalten, hinter dem schönen Tier herzujagen. Und so war er mitgerissen worden.
Wütend stierte er einen Moment in die Flammen. Er sah seinen unlenkbaren Sohn vor sich, der stur seinen Weg ging, einen Weg, den er, Leathan, nicht gutheißen konnte. Richard hatte Angst vor ihm und doch hatte er ihm nur im Notfall, wenn es gar nicht anders möglich gewesen war, gehorcht. Nie hatte er gewisse Grenzen überschritten.
Hatte sich ihm entzogen, ja, sich in seiner Hütte im Wald versteckt.
Leathan wusste von dieser Zuflucht. Er hasste diese Hütte. Und er hasste es, dass sein eigener Sohn ihm so wenig ergeben war.
Richard hatte die Sanftheit seiner Mutter geerbt, die Leathan eher als Schwäche bezeichnete, aber er war genauso wenig zu fassen wie sie.
Auch Agnes hatte sich ihm letztlich verweigert und war geflohen. Wie er wusste, mit Magalies Hilfe.
Seit die rothaarige Tochter der schönen Magalie hier aufgetaucht war, schien nichts mehr zu sein wie es einmal war.
Annabelle erpresste ihn und er musste wenigstens zum Schein darauf eingehen.
Seine Jäger verfolgten die falsche Fährte, und er hatte es nicht geschafft, sie davon abzuhalten.
Die Hexen flogen über ihm und schienen ihn mit ihrer Anwesenheit zu verhöhnen.
Er griff sich an die Brust und seine ganze Wut brach sich Bahn. Seine Energien nahmen ab und es brauchte mehr Zeit als
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