Faith (German Edition)
Tochter wie gejagt durch den Palast lief.
Er hetzte durch Flure und Hallen, vorbei an den herrlichsten Kostbarkeiten, ohne auch nur einen Blick auf seine Umgebung zu werfen. Sie hasteten rosafarbene Marmorstufen hinauf und hinunter und achteten nicht auf die wallenden Nebelfetzen, die über Stufen und Böden glitten und langsam an den Wänden emporstiegen. An zum Meer hin offenen Fenstertüren wehten zarte weiße und türkisfarbene Schals in die Räume. Immer undurchsichtiger wurde ihre Umgebung. Es war, als ob das Meer mit seinem feuchten Dunst Besitz vom Schloss ergriffe. Jamal und er konnten kaum noch etwas sehen und die Nebel brachten eine unangenehme Kälte mit sich.
„Lass uns gehen.“ Jamal schlotterte bereits vor Kälte.
„Du hast recht, wenn Faith und Lisa hier sind, werden wir sie finden.“ Robert wusste ja, dass die Karawane immer viele Tage hier sein würde.
Sie hatten Stunden damit verbracht, die Mädchen zu suchen, aber der Palast war groß und für Fremde völlig unübersichtlich.
„Kann ich euch helfen?“ Mit leisem Sirren erschien Annabelle in der offenen Tür und versperrte Robert und Jamal den Weg.
Ihre Stimme klang gefährlich leise. Die beiden Eindringlinge erstarrten. „Ich konnte nicht widerstehen ...“ Robert ließ all seinen Charme spielen.
Er sah Annabelle zum ersten Mal so nah. Ihre herbe Schönheit überraschte ihn. Er hatte sich eine hübsche Frau vorgestellt, die nichts als Oberflächlichkeit im Kopf hatte. Aber die Frau, die jetzt vor ihm stand, strahlte Klugheit und Willensstärke aus und wirkte alles andere als oberflächlich.
„Eher“, dachte Robert, „wirkt sie gefährlich und sehr misstrauisch.“ In ihrem Blick lag aber auch Neugier.
Robert verbeugte sich leicht. „Wir sind zum ersten Mal mit der Karawane unterwegs und haben wahre Wunderdinge von diesem Palast gehört. Ich wollte mich überzeugen von der Eleganz und dem Reichtum, der hier herrschen soll. Meinen jungen Begleiter hier habe ich überredet, mitzukommen. Es tut mir leid, ich hätte fragen müssen.“
Robert spielte den Reumütigen.
Annabelle sah nur Robert an. Den farbigen Jungen neben ihm nahm sie zum Glück gar nicht wahr.
Ein gut aussehender Mann. Annabelle betrachtete Robert.
Sie bemerkte die Melancholie in seinen sanften grauen Augen und bewunderte die Geistesgegenwart, mit der er versuchte, seinen Gefährten aus der Affäre zu ziehen. „Du kannst gehen.“ Annabelle trat beiseite. „Haltet euch morgen früh bereit, dann will ich eure Waren sehen.“
Dieser Mann war kein Händler.
Aber wer war er?
Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Sie musste herausfinden, was.
Später!
Annabelle warf sich auf ihr Ruhebett und sah hinaus aufs Meer. Sie hatte sich zu viel zugemutet. Erst die vergebliche Suche nach Lisa, dann ihre eigene Rückkehr. Sie hatte gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war, und es deshalb vorgezogen, nicht zurückzureiten, sondern den schnelleren magischen Weg zu nehmen. Sie wusste, dass ihr Pferd alleine nach Hause finden würde.
Die Nebel hatten sich verzogen und einer milden Wärme Platz gemacht.
Robert ging mit Jamal am Strand entlang. Von dort wandten sie sich dem Flügel des Schlosses zu, in dem sie mit den Händlern untergebracht waren. Dazu mussten sie den Kiesplatz vor der Schlosstreppe überqueren, wo sich gerade ein völlig erschöpfter Elf von einem schweißnassen Schimmel fallen ließ. Das Tier hatte Schaum vor dem Maul und der Elf konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
„Du hast sie nicht gefunden?“
„Das gibt Ärger!“
„Dass du dich traust, ohne Lisa zurückzukehren!“
Die Elfen und Feen, die um ihn herumstanden, plapperten aufgeregt durcheinander.
Robert und Jamal blieben stehen und lauschten. Lisa war offenbar am frühen Morgen ohne Begleitung davongeritten und bis jetzt, trotz intensiver Suche, nicht wieder aufgetaucht.
Jamal sah Robert feixend an und Schadenfreude leuchtete aus seinen Augen. Robert war eher besorgt. Wenn Lisa geflohen war, wo war dann Faith?
Wieder sprachen alle auf einmal, aber zwei Aussagen waren gut zu verstehen.
„Vielleicht ist sie ja hinter Faith hergeritten?“
„Annabelle hat sie doch zu Leathan geschickt.“
„Leathan!“ Robert sah ängstlich und wütend zugleich aus.
„Das verflixte Weib.“
Schön und erbarmungslos war sie. Was sollte sein Kind bei diesem grausamen Dunkelalb?
Und wie hatte Annabelle Faith zwingen können, zu Leathan zu gehen?
„Geh du zu den Händlern, ich werde Annabelle
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