Faith (German Edition)
gehört?“
Christian wusste, wie glücklich die alte Dame gewesen war, ihren so lange verlorenen Enkel wiedergefunden zu haben.
Umso trauriger war es für sie, dass Richard in die fremde Welt seines Vaters zurückgekehrt war, um die verschwundenen Freunde zu finden, die dort in Gefahr waren.
Sie mussten innerhalb von neunzig Tagen in die reale Welt zurückkommen. Blieben sie länger, würden sie hier sterben oder für immer dort bleiben müssen.
Christian dachte an Jamal. Er wusste inzwischen, dass sein Freund bei Robert war.
Aber er war, genau wie Lisa, Ben und Robert, in Gefahr, der Anderswelt zu spät zu entkommen.
Nur Faith und Richard waren in der Lage, halb Mensch, halb Naturgeist, in beiden Welten zu leben.
Jamal hielt sich jetzt seit über sechzig Tagen in der Anderswelt auf.
Die Zeit wurde bedrohlich knapp.
Christian sehnte sich nach dem Freund, er musste mit den Tränen kämpfen. Er beugte sich, um Madame Agnes seinen Kummer nicht zu zeigen, über Wolle, um ihn zwischen den beiden verschieden großen Ohren zu kraulen.
Erwacht
Richard saß täglich stundenlang an Faiths Lager.
Er erzählte ihr von seiner Kindheit, die im Wesentlichen von seiner Einsamkeit und dem vergeblichen Ringen um die Aufmerksamkeit und Liebe seines Vaters geprägt war.
Sprach von dem Land, das er liebte, das jedoch unter Leathans Herrschaft immer unwirtlicher und trostloser wurde.
Er betrachtete das blasse regungslose Gesicht seiner Freundin und hielt ihre Hand. Er versuchte damit, auch die Hoffnung festzuhalten.
So viele Tage waren vergangen. Faith war immer noch nicht aus ihrer tiefen Ohnmacht erwacht. Was hielt sie davon ab, zu ihm zurückzukehren?
„Komm zu mir zurück, bitte!“ Er strich sanft über ihre Finger.
Er hörte Magalies leichte Schritte nicht.
„Richard, geh in die Küche und lass dir etwas zu essen geben.“ Magalie hatte den Raum betreten.
Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich umzuziehen.
Offensichtlich kam sie von einem Ausritt wieder.
Ihre roten langen Haare waren zu einem dicken Zopf geflochten, der fast bis zu ihrer Taille reichte. Sie war erhitzt, um ihr Gesicht ringelten sich die roten Locken, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten.
Reithose und Hemd aus cremefarbenem Leinen waren, trotz des scharfen Rittes, den sie offenbar hinter sich hatte, makellos.
Außer dem kleinen Medaillon, das sich am Ende einer langen Kette in ihrem Hemd verbarg, trug sie keinen Schmuck.
Chocolat steckte seinen großen Kopf zwischen die rosenumrankten zierlichen Säulen, die das Dach des kleinen Pavillons stützten, und schnaubte.
Dabei knabberte er unerlaubterweise an den zarten frischen Blättern der Rosenranken.
Magalie sah sich suchend um.
Sie rief einen der Glitter, die immer in der Nähe waren, zu sich. Sie bat ihn, den braunen Wallach in den Stall zu führen und einem der Elfen dort zu übergeben.
Die Glitter waren nicht nur begabte, freche kleine Diebe, sondern auch neugierig wie Ziegen.
Aber sie liebten Magalie und ihre Neugierde war gepaart mit echtem Mitgefühl. Sie spürten, wie sehr Magalie darunter litt, dass Faith nicht erwachte.
Und so warteten sie mit ihr.
Der offene Pavillon stand im Garten gleich hinter dem Haupthaus.
Hätte Faith die Augen geöffnet, so hätte sie zwischen den dunkelrot glühenden Rosen, die den Pavillon, in dem ihr Lager stand, umrankten, einen bunten Bauerngarten entdeckt. Hier wetteiferten die unterschiedlichsten Pflanzen in ihren schönsten Farben: von tiefblauen, roten und rosafarbenen Akeleien über aprikosenfarbenen Fingerhüten bis hin zu sonnengelben Königskerzen.
Die weißen Sternblüten des Marienkrauts fächelten Zitronenduft über den Garten, während die roten und violetten Pfingstrosen ihr schweres, süßes Parfum verströmten.
Hohe schneeweiße Margeriten suchten zusammen mit dunkelblauem Rittersporn das Licht. Die winzigen blauen Blüten des Vergissmeinnicht bedeckten die Erde, nachdem die zierlichen Veilchen, ihren betörenden Duft zurücklassend, das Feld geräumt hatten.
Dieser Garten spielte wie ein Orchester mit Farben, Formen und Düften, die die Sinne betörten. Wenn nur ein Hauch über den Garten hinwegwehte, wisperten hohe graugrüne Gräser ihre leise Melodie.
Magalies Garten.
Hierher zog sie sich zurück, wenn sie allein sein wollte, hier erlaubte sie sich, an Robert und an ihre Tochter zu denken.
Und nun war Faith bei ihr und doch nicht hier.
„Ich möchte Faith nicht allein lassen.“
Richard unterbrach ihre
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