Faith (German Edition)
fast die Hälfte des Weges nach unten vor sich.
Richard sah zurück, als er den Wolf hörte.
Über ihnen stand Murat und sandte sein Geheul hinter ihnen her.
Mit einem kraftvollen Sprung erreichte er den nächstgelegenen Vorsprung, offensichtlich war er auf dem Weg, ihnen zu folgen.
Lichterfest der Hexen
Die Grotten schimmerten im Licht Tausender Kerzen, deren knisternde Flämmchen unruhige goldene Schatten auf Wände und Decken malten.
In steinernen Wasserbecken schwammen lilienweiße Blüten.
Aus riesigen Holzfässern floss unaufhörlich würziger, starker Honigwein.
Der süße Geruch des Weines vermischte sich mit dem zauberhaften verwirrenden Duft voll aufgeblühter Rosen und dem schweren Parfüm der schneeweißen Lilien.
Das Fest, das ein einziges Mal in Jahr stattfand, zog alle Kreaturen der Anderswelt wie Motten das Licht an.
In dieser Nacht des Lichterfestes wurde getanzt, gelacht und geliebt.
Es war die Nacht, in der der Mond seinen Schatten warf, auf die Felder der Mandragora .
Nur dann konnte man sie erblicken, die Alraunen , die „Königinnen der Zauberkräuter“. Wenn man sich ihnen unvorsichtig näherte, zogen sie sich in die Erde zurück.
In dieser einen Nacht kam ein neues Geschöpf zur Welt. Wenn die Nachtschattengewächse mit ihrem betörenden, unwiderstehlichen Duft alles möglich machten, wurde eine neue Hexe geboren. Eine einzige der Alraunen gebar sie aus sich selbst.
Nur einmal durfte jede dieser Zauberwurzeln Leben spenden. Alle Hexen wurden so geboren, versehen mit den wirksamsten Zauberkräften, mit der Fähigkeit, Leben zu retten oder zu zerstören.
Jung und gleichzeitig durch ihr Wissen uralt.
Die Erde ist ihre Mutter, ihr Vater der Mond.
Kaum geboren, müssen sie auf Wanderschaft gehen. In diesen Wanderjahren dürfen sie ihren Zauber niemals anwenden und es ist ihnen nicht erlaubt, zu fliegen. Eine junge Hexe muss zuerst lernen, ohne ihre Gaben in der Anderswelt zu leben.
Und so war in dieser Nacht Lilly geboren. Sie besaß das fast schwarze Haar und die helle Haut der Hexen, aber ihre Augen leuchteten wie der Sommerhimmel. Seit Jahrhunderten war es das erste Mal, dass wieder eine Hexe mit blauen Augen geboren wurde.
Elsabes Augen.
In dieser einen Nacht gab es keine Unterschiede, keine Rivalitäten zwischen den Geschöpfen dieser Spiegelwelt. Die Nacht, die keinen Tod, keine Zwietracht kannte.
Zwerge und Trolle tranken gemeinsam, bis sie haltlos betrunken in die Büsche hinter den Grotten fielen. Derwische drehten sich kreischend im Rausch und bemühten sich, die Kobolde und die ungeschlachten Trolle zu ihrem kreiselnden Tanz zu bewegen.
Stampfende Füße im Rhythmus der Musik.
Die grünen Glitter spielten, beschwipst kichernd, mit berauschten Lulabellen in den Bäumen.
Die Hexen trugen Gewänder in allen Farben. Mit herausfordernd knappen, weit ausgeschnittenen Korsagen und schwingenden bunten Röcken glichen sie tanzenden Schmetterlingen.
Schamlos und unschuldig zugleich.
Kokett und unfassbar verführerisch.
Feen, nebelhaft wie unerfüllte Träume, wirkten in ihren fließenden langen Kleidern, die alles verhüllten, jedoch nichts verbargen, verlockender und betörender denn je.
Elfen und Feen tanzten mit den Hexen und ihren teuflischen Gefährten bis zum Morgengrauen. Die Musik war so bezaubernd, dass die Vögel das Fliegen vergaßen, die Fische das Meer verließen.
Ihr Zauber weckte die Sinne und benebelte den Verstand.
Auch Magalie hatte die Nacht des Festes bei den Hexen verbracht.
Schwereloses Schweben.
Aber noch bevor die Nacht zu Ende war, flog sie in den roten Himmel, der schon seine bedrohliche, kranke Farbe zeigte. Sie dachte mit Entsetzen an den furchtbaren Kampf, bei dem der Wohnsitz der alten Herrscher niedergebrannt worden war. Auch damals war der Himmel rot gewesen, so rot, wie der glühende Mohn auf den Feldern.
Sie dachte an Leathan, der ohne Rücksicht im Begriff war, ihre zauberhafte Welt zu zerstören. Wenn sie ihn nicht aufhalten konnte, würde er vollenden, was er begonnen hatte. Sein Vergnügen, der Natur Gewalt anzutun, kannte keine Grenzen. „Der Planet“, dachte Magalie unglücklich, „würde es überleben, aber nicht seine Geschöpfe.“
Die Luft hier oben war nicht mehr kühl und brachte mit ihrer Schwüle die Haut zum Glühen.
Magalie schickte ihre blauen Boten.
Sie würden Robert finden. Er würde wissen, dass sie in seiner Nähe war.
Robert allein
Robert starrte auf den holprigen Weg vor ihm. Jetzt war er allein.
Weitere Kostenlose Bücher