Faith (German Edition)
Dagmar wird froh sein, wenn sie ihn los ist. Er bekommt derartig viel Besuch, dass sie das Gefühl hat, in einer gut besuchten Disco zu arbeiten und nicht auf einer Krankenstation.“ Frau Dr. Kirchheim-Zschiborsky begleitete Robert noch bis vor das Krankenzimmer und verabschiedete sich dann von ihm.
Robert klopfte und trat gleich darauf unaufgefordert ein. Jamal saß, ein Buch in der Hand, am Fenster. Aber er las nicht. Er schaute vielmehr sehnsüchtig nach draußen. Als er Robert erblickte, strahlte er.
„Du bist zurück, endlich. Ich bin so froh, dich zu sehen. Seit wann bist du wieder hier?“
Jamal erwartete keine Antwort. Er war aufgestanden und umarmte Robert, glücklich, ihn wiederzusehen.
Robert würde irgendwann den Freunden seiner Tochter die Wahrheit sagen müssen, aber nicht jetzt.
Jamal war auf dem Wege, gesund zu werden, über all das Schreckliche, das er erlebt hatte, hinwegzukommen. Neue Aufregungen konnte er im Moment bestimmt nicht verkraften.
Was würde es ihm auch nützen, wenn er jetzt überall herumerzählte, dass er, Robert, nicht mehr lange zu leben hätte. Traurig dachte er, dass er ja nicht einmal selbst wusste, wie viel Zeit ihm noch blieb.
„Komm, lass uns ein bisschen in den Garten gehen. Das Wetter ist so schön.“
Die Tür öffnete sich und Schwester Dagmar erschien. Einen Moment lang stutzte sie, als sie Robert erblickte, dann wäre sie ihm beinahe um den Hals gefallen. „Wie schön, dass Sie wieder da sind! Und wo ist Faith?“ Sie sah sich um. „Oh, sie ist noch …“
Robert nickte. „Faith ist noch in der Welt ihrer Mutter. Ich hoffe, dass auch sie bald zurück ist.“
„Das tut mir leid. Warum geht ihr zwei nicht ein bisschen in den Garten? Ich möchte nicht, dass Jamal den ganzen Tag im Zimmer sitzt und grübelt.“
Robert und Jamal grinsten wie zwei Lausbuben, als sie den Lieblingssatz von Schwester Dagmar hörten, der ihr den Spitznamen Möchtichnicht eingetragen hatte. Misstrauisch sah sie hinter den beiden her, als diese feixend den Raum verließen.
„Mir geht es ganz gut“, antwortete Jamal auf Roberts Frage. „Ich habe noch Albträume, aber tagsüber, wenn die Sonne scheint und ich mit meinen Freunden zusammen bin, gibt’s keine Probleme.
Dr. Schrader ist ein guter Therapeut. Es hilft mir sehr, dass er mir zuhört. Er sagt, es wird noch eine Weile dauern, bis ich das alles verarbeitet habe.“
Er fügte lachend hinzu: „Ich denke, dass es mir hilft, wenn ich den schrecklichen Wallch in Mathe wiedersehe, oder Glatzes Lateinunterricht über mich ergehen lassen muss. Dagegen sind doch Riesenadler, aufgewühlte Meere und schleimige Slicker geradezu erholsam.
Sein letzter Satz ging ein bisschen unter im Gejohle von Paul, Noah und Adam, die Robert um den Hals fielen. Es hatte sich herumgesprochen, dass Robert zurück war.
„Die anderen kommen auch gleich“, haspelte Noah aufgeregt. Er bot Robert Salzstangen aus einer geöffneten Tüte an, die dieser lachend ablehnte. Schwester Dagmar stand oben am Fenster, hinter ihr Dr. Dr. Schrader.
„Er kann nur gesund werden, bei so viel Zuspruch.“
Sie stöhnte, als sie die restliche Bande antraben sah.
„Wenn es ihm nur nicht zu viel wird.“
„Ganz bestimmt nicht, meine Liebe.“ Er nahm seine Hand von ihrer Schulter. „Ich komme morgen wieder. Die Therapie, die er gerade bekommt, ist vermutlich heilsamer als meine.“
Corax’ Ankunft
„Gestern, heute, morgen, übermorgen. Die Tage gleichen sich wie ein Ei dem anderen“, dachte die alte Herrscherin. „Wenn ich meine Musik nicht hätte, meine Hoffnung und nicht die Erinnerungen an schöne Tage, wäre mein Leben nicht mehr lebenswert. Ich will noch erleben, wie Faith den skrupellosen Dunkelalb überlistet. Ich will meiner Tochter noch sagen, wer ihre Mutter ist.
Magalie soll wissen, woher sie kommt, soll wissen wie sehr ich ihren Vater geliebt habe.“ Sie sah sich um und bedauerte die gebeugten Gestalten, die stumpf und ohne Hoffnung auf ihr Vergehen warteten. Sie saßen und warteten, dass die sinnlosen letzten Tage vorübergingen.
Sie erhob sich.
„Auch ich bin lange nicht mehr draußen gewesen“, dachte sie. Durch die hohen Fensterbögen sah die ehemalige Herrscherin die sich biegenden Zweige der Bäume, sie hörte die Brandung des Meeres gegen das Ufer schlagen, hörte den Schrei der Silbermöwen. Sie hörte den Lärm, den die Schönen Kinder beim Spiel mit den Füchsen machten. Der verlockende Duft der blühenden Rosen lag in der Luft.
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