Faith (German Edition)
der Fels dahinter, aus dem er sich ergoss, nicht sichtbar war. Nur glitzerndes, perlendes Wasser, das sich brüllend nach unten stürzte.
Der Lärm, den das Wasser machte, schloss alle anderen Geräusche aus. Nur für wenige Stunden am Tage versickerte es, um sich dann umso großartiger wieder zu ergießen.
„Sag mir, was sich hinter dem Wasserfall verbirgt“, forderte Magalie Elsabe atemlos auf. Die beiden Frauen saßen vor den Grotten. Magalie war, nachdem der Rabe verschwunden war, unverzüglich zu den Hexen geflogen. Sie hatte sich nicht die Zeit genommen, sich umzukleiden. Noch immer trug sie den grünen Overall. Längst hatte sie ihr Kopftuch verloren, die roten Locken umrahmten ungebändigt ihr zartes Gesicht.
„Wie kommst du darauf, dass sich etwas dahinter verbirgt?“
Magalie sah die Freundin nur an.
„Sie kennt mich zu gut und merkt, wenn ich etwas verberge.“ Trotzdem versuchte Elsabe, Magalie zu täuschen.
„Ich weiß es nicht.“
„Elsabe, sag es mir. Du kannst mir nichts vormachen, es ist wichtig.“
Die Hexe zögerte noch immer.
„Warum willst du das wissen?“
Noch nie hatte Magalie sie nach dem Feuer hinter dem Wasser gefragt. Elsabe kannte die Feuerhöhle, aber niemand, außer ihr, wusste um das Geheimnis hinter dem Wasserfall. „Niemand, außer der alten Herrscherin“, erinnerte sie sich. Bis heute.
Magalie erzählte der Hexe vom Besuch des Raben.
„Ich weiß nicht, ob ich es geträumt habe, aber der Rabe hat von dem Feuer gewusst.“
Endlich entschloss sich die Hexe, ihr zu antworten. Sie wusste, Magalie würde nicht locker lassen. Stur wie ein Maulesel!
Elsabe ahnte nicht, dass mit genau diesem Satz auch die ehemalige Herrscherin ihre Tochter charakterisiert hatte.
„Dahinter“, erklärte Elsabe, „gibt es eine Höhle, die einem gewaltigen Dom gleicht. Die Wände wachsen machtvoll nach oben und bilden eine Kuppel aus leuchtendem grünem Stein. Aus dieser Kuppel schießt ein heller türkisfarbener Lichtstrahl, der sich auf dem Boden des Felsendoms entzündet und dort als immerwährende Feuersäule emporschießt. Solange das Licht den Boden erreicht wird die Flamme brennen.“
Sie sah Magalie an und wartete.
Ratlos erwiderte diese ihren Blick. „Was kann ich tun? Soll ich Robert von dem Feuer erzählen und ihn damit einer furchtbaren Gefahr aussetzen? Soll ich ihm verschweigen, dass es diese Möglichkeit gibt, ihm sein Leben zurückzugeben? Ich will ihn nicht verlieren, hilf mir, Elsabe.“
„Das kann ich nicht und das weißt du. Aber ich glaube, Robert hat ein Recht darauf, davon zu wissen. Entscheiden muss jeder für sich selbst.“
Magalie spürte, dass die Hexe ihr noch etwas verschwieg, dass sie mit irgendetwas zurückhielt.
„Woher weißt du das alles, bist du dort gewesen?“
Elsabe war viele Jahrhunderte alt, aber ihre Schönheit schien unzerstörbar. Die schwarzen Haare ohne eine einzige graue Strähne, die blauen Augen klug und neugierig, die weiße, kühle Haut glatt und ohne Makel. Sie wirkte jung und außergewöhnlich anziehend.
„Wenn die alte Herrscherin den Raben als Boten geschickt hat“, überlegte Elsabe, „wollte sie offenbar, dass ihre Tochter endlich erfuhr, wer ihre Mutter ist.“ Sie kannte Magalies Mutter schon seit Ewigkeiten.
Elsabe hatte der alten Herrscherin geschworen, Magalie eine Freundin zu sein und sie zu schützen, wenn sie ihren Schutz brauchte. Sie war dabei gewesen, als Leathan den alten Herrschersitz überfallen und zerstört hatte. Bis heute hatte sie Wort gehalten und Magalie nicht verraten, wer ihre Mutter war. Aber jetzt fühlte sie sich von diesem Wort entbunden.
„Ich bin dort gewesen, nachdem deine Mutter mir das Geheimnis anvertraut hat.“
„Du weißt, wer meine Mutter war?“
Elsabe schüttelte den Kopf.
„Nicht war, Magalie, ich weiß, wer sie ist! Deine Mutter lebt.“
Licht in der Villa
Lisa fiel Robert um den Hals. Auch sie und Ben waren gekommen, um den Vater ihrer besten Freundin zu begrüßen. Lisa schien sich erholt zu haben und machte auf Robert den Eindruck, als sei sie ganz die Alte.
Er hatte dieses aufgeweckte, muntere Mädchen sehr in sein Herz geschlossen und liebte sie wie eine zweite Tochter.
„Wo ist Faith?“
„Wenn du mir weiterhin den Hals zudrückst, hat Faith bald keinen Vater mehr.“
Lisa lachte und ließ ihn los. Sie sah ihn forschend an.
„Robert?“
Für einen Moment war er völlig abwesend gewesen, als er merkte, dass der Scherz, den er hatte machen wollen,
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