Faith (German Edition)
in diesem Modder kaum zu erkennen. Er zeigt seine Schönheit nicht jedem.
Und wenn jemand seine besondere Schönheit wahrnehmen könnte, würde er sich hüten, mir den Schmuck auszuhändigen. Ich kenne die Gier der Leute.“
Richard verkniff sich ein Grinsen. Wenn hier jemand gierig war, dann mit Sicherheit sein Vater.
„Lass uns den Weg zurückreiten, den wir gekommen sind.“
Langsam ritten Vater und Sohn, die Augen auf den Waldboden gerichtet, den Weg zur Burg zurück.
„Warum ist dir das Medaillon so wichtig? Deine Truhen sind doch voller Kostbarkeiten.“
Leathan beantwortete die Frage seines Sohnes nicht. Sollte er ihm das Geheimnis dieses Schmuckstücks verraten? Sein Misstrauen anderen gegenüber war groß, grenzte an Verfolgungswahn. Seine eigene Bosheit, seinen Machthunger vermutete er auch in allen, denen er begegnete. Da schloss er nicht einmal den eigenen Sohn aus. Er traute auch Richard zu, ihm eines Tages seine Macht nehmen zu wollen. Er konnte nicht ahnen, dass sein Sohn die Antwort längst kannte.
„Tu einfach, was ich dir befehle.“
Leathans Stimme klang hart und angespannt.
Faith verstand.
Wenn es noch eines Hinweises bedurft hätte, dass sie auf dem richtigen Weg war, so hätte sie ihn jetzt erhalten.
Dieses Medaillon musste sie Annabelle bringen. Aber nun hatte Leathan es verloren. Der Wald war groß, vielleicht würde es für immer verborgen bleiben.
Als sie die Reiter erblickte, zog sie sich leise weiter ins Dickicht zurück. Richard sah forschend in ihre Richtung, als ob er spürte, dass er beobachtet wurde. Es waren zwei Augenpaare, die sich auf ihn richteten, das grüne eines Mädchens und das nachtblaue, fast schwarze eines silbernen Fuchses.
Faith hielt den Atem an. Sie wusste, sie hatte nur die Chance, den Schmuck zu suchen, wenn Richard und Leathan den Wald verließen, ohne das Medaillon gefunden zu haben!
Als sie sicher sein konnte, dass die Reiter außer Hörweite waren, ging Faith in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Langsam wanderte sie dicht am schlammigen Rand des Baches entlang.
Es mussten Stunden vergangen sein, seit sie sich auf die Suche gemacht hatte.
Immer wieder war sie hin- und hergelaufen, ohne Erfolg.
Hinter sich hörte sie den Lärm schlagender Hufe und die rauen Rufe von Männerstimmen, die durch den Wald hallten. Leathan hatte ihre Abwesenheit bemerkt und die Elfen geschickt, sie wieder einzufangen. „Gleich haben sie mich gefunden“, dachte Faith unglücklich. Unschlüssig sah sie sich um. Sollte sie sich ihrem Schicksal ergeben oder versuchen, zu entkommen? Noch Sekunden, dann würden ihre Verfolger sie entdecken.
Da sah sie ihn.
Der Kolkrabe landete vor ihr, schwarz wie die Nacht. Er versank fast im Schlick, während er mit dem Schnabel heftig an einer Kette zog.
Der Vogel sah sie auffordernd an und flatterte, mit der Kette im Schnabel, zur Seite.
Blaues Blitzen.
Faiths Finger umschlossen das Medaillon, bevor es im Schlamm versank. Genau in dem Moment fanden sie die Reiter.
Die Kette
Die alte Herrscherin hatte doch tatsächlich geschafft, ihre Drohung „ich werde jeden Tag kommen und die anderen mitbringen“ wahrzumachen. Annabelle schäumte, aber sie konnte nichts dagegen unternehmen.
Seit die Reifen sich weigerten, den beruhigenden Beerensaft zu trinken, waren sie plötzlich wieder sehr lebendig und sehr selbstständig. Sie ärgerte sich noch heute, dass sie die Alten nach dem Brand der Burg überhaupt mitgenommen hatte. Streng genommen hatte sie das auch gar nicht getan. Die alte Herrscherin hatte das entschieden. Sie hatte einige ihrer alten Freunde einfach mitgeschleppt und nun spazierten sie am Meer entlang und spielten mit den Schönen Kindern und den Füchsen.
Und Annabelle musste feststellen, dass die Kinder begeistert mitspielten. Die Alten waren nicht einmal davon abzuhalten, sich die Pferde satteln zu lassen, um am Strand entlangzureiten.
Als Annabelle den Raben erblickte, blieb sie stehen. Der Vogel flitzte wie ein kleiner schwarzer Pfeil über die Pinienwälder, die hier fast bis ans Meer heranwuchsen und den feinen weißen Sandstrand säumten. Sie folgte ihm mit den Augen, bis er zwischen Wald und Meer verschwand. Im Schnabel trug er eine Kette. Annabelle stockte der Atem. Konnte es sein, dass das Tier das gefunden hatte, was sie so verzweifelt besitzen wollte?
Sie durchquerte den Pinienwald in einem rasenden Wirbel. Sie ahnte, wohin der Rabe geflogen war, aber sie musste sich Gewissheit verschaffen. Ihre
Weitere Kostenlose Bücher