Faith (German Edition)
demnächst bittere Wahrheit werden würde. Faith würde bald wirklich keinen Vater mehr haben.
Er wandte sich wieder Lisa zu.
„Faith“, erklärte er, „ist noch in der Anderswelt, wir konnten sie nicht aufhalten. Sie will die Prophezeiung erfüllen.“
Er begann, Ben, Lisa, Lara, Lena, Laura und den Freunden die Monate im Land der Feen zu schildern.
Diejenigen, die, wie er, in dieser beängstigenden Spiegelwelt gewesen waren, nickten gelegentlich bekräftigend, die anderen hörten gebannt und manchmal ungläubig zu. Lisa liefen bei der Schilderung des Erdbebens, bei dem Faith beinahe ums Leben gekommen wäre, die Tränen über die Wangen. Man konnte die Erleichterung spüren, die die Freunde erfasste, als sie von ihrer Rettung durch die Hexen erfuhren.
Schwester Dagmar hatte Tee und Gebäck gebracht, hatte eine Weile zugehört und war wieder gegangen.
Ohne dass Robert und seine Zuhörer es merkten, war es Abend geworden.
„Jetzt ist Schluss, ich möchte nicht, dass Jamal sich überanstrengt.“
Ihre Stimme klang streng und niemand widersprach, als Schwester Dagmar ihren Schützling für seine letzte Übernachtung auf der Krankenstation abholte.
Christian umarmte den Freund. „Bis morgen dann.“ Robert klopfte Jamal auf die Schulter. „Mach’s gut.“
Sie gingen auseinander, nicht wirklich zufrieden. Dass Robert wieder da war, war gut, aber Faiths Abwesenheit beunruhigte alle sehr.
„Wann werde ich es ihnen sagen?“, fragte sich Robert, während er zur alten Villa fuhr. Er kam sich verloren vor wie nie im Leben. Als er in den Waldweg einbog, der zur alten Villa führte, sah er, dass alle Fenster hell erleuchtet waren.
Die Jagd
Seine Chance kam schneller als gedacht. Der weiße Hirsch brach aus dem Wald und lief geradewegs auf ihn zu. Im letzten Moment riss er sich herum, stieg und schlug einen Haken. Leathan wollte dieses Tier erlegen, er musste es haben, um jeden Preis. Zu oft war dieser Hirsch ihm entwischt.
Mit zusammengebissenen Zähnen jagte er dem herrlichen Wild hinterher. Er achtete nicht auf seine Umgebung, krachte durch das Unterholz, spürte nicht die Äste, Zweige und dornigen Schlingen, die ihm den flatternden schwarzen Umhang zerfetzten, an den Schließen seines ledernen Hemdes zerrten.
Er zwang sein Pferd über jede Hürde, die sich vor ihm auftat. Obsidian fegte über gefällte Bäume, Bäche und Zäune hinweg. Ein schwarzer sirrender Pfeil, durch nichts aufzuhalten. Diesmal würde er den Hirsch erlegen. Leathan war außer sich vor Gier nach dem Blut dieses schönen Tieres.
Aber er kam ihm nicht näher. Jedes Mal, wenn er glaubte, ihn gestellt zu haben, wurde der Abstand zwischen ihnen wieder größer. Zum ersten Mal in seinem Leben bekam Obsidian Leathans Peitsche zu spüren. Der Rappe spannte die Muskeln und jagte noch schneller vorwärts. Wieder blitzte das helle Fell vor ihm auf.
Jetzt!
Blind vor Wut riss Leathan einen Pfeil aus dem Köcher und spannte den Bogen.
Als der Bogen in seiner Faust zerbrach und der Gegenstand seiner wilden Gier sich vor seinen Augen auflöste, brüllte Leathan in unbändigem Zorn auf.
Der Wald bebte.
Vögel fielen vom Himmel. Die Spitzen der Bäume fingen Feuer. Die Stille nach dem Schrei war absolut. Nicht einmal das Knistern der Flammen war zu hören. Es schien, als ob die Natur den Atem anhielte.
Zwischen den Bäumen ein Nebelstreif.
Der Silberfuchs verharrte bewegungslos.
Corone schnaubte ganz leise. Richard saß auf seiner grauen Stute und beobachtete Leathan. Er traute sich nicht, näher zu kommen. „Wenn doch bloß Nathan bei mir wäre“, dachte er.
Leathan war gefährlich in diesem Zustand, aber er würde sich niemals an Nathan heranwagen. In Gegenwart seines Lehrers hatte sich Richard immer sicher gefühlt.
Auch er hatte den weißen Hirsch schon gesehen. Dieses schöne Geschöpf hatte ihn vor der Entdeckung bewahrt, als er, entgegen dem Verbot seines Vaters, mit Ben zurück in die Anderswelt gekommen war.
Den Anblick würde er nie vergessen. Dieses elegante Tier, verfolgt von einer Horde schwarzer Reiter. Damals wie heute hatte er sich gewünscht, dass es entkommen möge.
Über dem Wald türmten sich drohend schwarze Wolkenberge. Als der Regen kam, ergoss er sich wie ein Sturzbach über das Land, löschte die Flammen und durchnässte den Dunkelalb und seinen Sohn.
Unscheinbar, im schlammigen Ufer eines Baches, lag halb versunken ein Medaillon neben einer zerrissene Kette.
Wasser aus der Erde
Das Wasser stieg
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