Faith (German Edition)
man den Schlüssel umdreht.“ Faith grinste.
„Hab ich nicht gesehen“, grummelte Lisa, noch immer abwesend.
Sie drehte den Schlüssel zweimal.
„Das kann nicht sein, nein, hier war ich bestimmt nicht.“
Sie zog den Kopf zurück und sah Faith verunsichert an.
„Lass mal sehen, was …, oh.“
Die beiden Mädchen sahen sich an, nickten und betraten wortlos einen grauen Tunnel. An den schmucklosen Wänden hingen blakende Grubenlampen, die rußige Flecken hinterließen.
In diesem flackernden gelben Licht gingen sie durch eine fensterlose Röhre auf eine Tür zu. Ein Lichtstrahl unter der Tür zeigte ihnen zusätzlich den Weg.
Faith griff unentschlossen nach der Klinke.
„Mach schon“, drängte Lisa.
Sie befanden sich in einem hellen Raum, in dessen Mitte ein großer schlichter Holztisch stand, um den einige Feen auf Stühlen mit hohen gepolsterten Rückenlehnen saßen.
Einige starrten nur vor sich hin, andere betrachteten Faith und Lisa erstaunt und sehr zurückhaltend.
Über dieser Gesellschaft schwebten Lulabellen, deren ungeduldige Gesichter erkennen ließen, dass das, was sie hier taten, nicht gerade zu ihren Lieblingsaufgaben gehörte.
„Was wollt ihr hier?“
Eine der Lulabellen hielt vor ihnen.
„Wir sind Gäste von Annabelle. Kannst du uns sagen, was das hier ist?“
„Das ist der Flügel der Reifen.“
„Reifen?“
„Wir werden nicht alt wie ihr. Wir nennen es reifen. Auch wir vergehen nach einer gewissen Zeit. Diese Zeit ist lang, aber nicht unendlich. Wenn ihr wollt, seht euch um, aber ich warne euch, keiner kommt hier freiwillig her. Geht lieber in die Badehäuser oder spielt mit den Schönen Kindern und den Silberfüchsen! Es gibt Konzerte und Theater, Tanz, Sport und Spiel. Ihr könnt es euch aussuchen!“ Die kleine grüne Fee holte Luft und klagte: „Ich muss hier noch wochenlang Dienst tun, glaubt mir, Spaß macht das nicht. Keine von den Reifen ist wirklich amüsant, sie machen keine Musik mehr und wenn sie noch malen, sind die Bilder farblos und unansehnlich wie sie selbst.“
Die Mädchen betrachteten die Reifen. Einzig die weißen Strähnen, die die ehemals dunklen Haare durchzogen und die Müdigkeit in ihren Gesichtern zeugten von Ihrem Alter. Die Mädchen konnten nichts Unansehnliches darin erkennen. Im Gegenteil, einige der Gesichter schienen so viel ausdrucksvoller als die fast maskenhaft schönen Gesichter der Feen, denen sie bisher begegnet waren. „Das gibt’s doch gar nicht!“
Faith traute ihren Augen nicht. Hier also wurde abgestellt, wer nicht in Annabelles Schönheitswahn passt.
Faith und Lisa war das Grauen anzusehen, das sie bei dieser trostlosen und kalten Beschreibung ergriff.
„Den Reifen macht das nichts aus“, tröstete die Fee, die ihr Entsetzen völlig missdeutete, die Mädchen.
„Sie bekommen den Saft der blauen Beeren und Kräuter, die sie ruhig stellen und ihnen angenehme Träume bescheren.“
Faith und Lisa sahen die anmutige grüne Fee, die so unüberlegt und dumm daherplapperte, fassungslos an.
„Wir würden trotzdem gern noch ein bisschen bleiben.“
Kopfschüttelnd flog die Kleine zum Tisch der Reifen zurück.
„Das kann doch nicht wahr sein!“ Faith war erschüttert.
„Dürfen hier nur die Jungen und Schönen frei rumlaufen, oder was?“
Sie ging mit Lisa durch die Räume der Reifen. Es gab Ateliers mit Staffeleien und Farbpaletten. Halbfertige Bilder standen an den Wänden, aber niemand war hier zu sehen.
Lockende Töne zogen sie zur nächsten Tür. Sie fanden einen Musikraum, in dem unbenutzte Instrumente lagen und standen. Sogar eine goldene Harfe mit kunstvoll verziertem Kopf stand hier.
Dahinter saß eine Reife mit schlohweißem Haar und spielte wie ein Engel.
Durch die Gitter eines Fensters erreichte die beiden Mädchen der stechende, aufmerksame Blick eines kohlrabenschwarzen Vogels.
Die alte Frau sah auf, ohne ihr Spiel zu unterbrechen. In diesem – immer noch schönen – Gesicht, war keine Müdigkeit und keine Furcht zu erkennen. Forschend betrachtete sie aus grünen Augen Faith. Ihr Lächeln war zauberhaft und jung. Irgendetwas an diesem Lächeln kam Faith bekannt vor.
Der Biss
Adam und Jamal ließen die Ruinen, in deren Schutz sie die Nacht verbracht hatten, hinter sich. Sie marschierten schweigend. Gegen Mittag aßen sie die Reste ihrer Vorräte und brachen nach einer kurzen Rast wieder auf.
Die Jungen hatten das Gefühl, sich beeilen zu müssen.
Etwas trieb sie vorwärts, aber sie hätten
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