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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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ausgestattet - unendlich häßlich und eher für Chemielabore oder für
Schweißarbeiten in irgendwelchen Hohlräumen konzipiert. Aber das war nicht
unser Problem, auch Onkel ONKEL kannte solche feingeistigen Hemmungen nicht.
Der schlagende Vorteil seiner rettenden Lösung: Das saugende Schlauchende
konnte der liebe Onkel ONKEL mit Hilfe eines mobilen Ständers direkt neben sich
plazieren. Er konnte also direkt in das dunkle Loch hineinpaffen und dabei
natürlich auch mühelos fernsehen. Der Rauch breitete sich im Raum gar nicht
erst aus. Meinen ausschließlich auf Funktionalität bedachten Onkel störte es
überhaupt nicht, daß ihn das dunkle Loch pausenlos anstarrte und ihm den Rauch
regelrecht aus der Lunge zog. Der pustende Schlauch, der an die
»Ausstoßöffnung«des Wirbelmonstrums angeschlossen war, führte am Ende durch
zwei Fensterscheiben nach draußen. Das heißt: In diese Scheiben hatte Onkel vom
Glaser große runde Löcher schneiden lassen müssen, und die entsprechende
Fensterhälfte des Doppelfensters ließ sich nach der Installation nicht ohne
weiteres öffnen. Onkels Zimmer bekam nebenbei den Charme einer
Giftmischerwerkstatt.
    Bei der
Lüftung seines Schrankgeheimnisses - also der Preisgabe seiner geldgefüllten
Blechkassette - half mir und meiner jüngeren Cousine nach einem Jahr Wartezeit
der reine Zufall. Als Tante Bombes autonomer ELEKTRISCHER Kühlschrank - der das
gasbetriebene gemeinsame Stinkungetüm in den Schatten stellen sollte -
angeliefert wurde, passierte folgendes: Der Lieferant nahm beim Überwinden
einer Schwelle zu viel Fahrt auf, und bevor er realisieren konnte, daß er sich
nicht in einem geräumigen Zimmer, sondern in einem schmalen Korridor befand,
raste er in Onkels Burgmauer und ausgerechnet in den Rücken seines
Kleiderschranks. Eine dünne Holzplatte platzte auf, eine Leiste löste sich und
ein Teil der Rückwandfüllung fiel auf den Fußboden. Das Säckchen mit der
Kassette, das sich im Schrank sehr weit hinten befand, lag plötzlich vorn und
war vom Gang aus ohne jeglichen Aufwand greifbar.
    - Guck
mal, ein Blechtresor, sagte die ältere, nichtsahnende Cousine.
    Die
jüngere tat so, als ob sie die hervorquellende Wäsche ihres Vaters ordnen
wollte, lief anschließend in die Wagenburg und brachte von der anderen Seite
den Packen der Liebesbriefe mit.
    Was danach
genau hinter den Kulissen geschah, welche Art von Aussprachen, Vereinbarungen,
Klärungen es gab, erfuhren wir drei Nachwachsenden nie. Gab es ein Verhör oder
sogar eine Anklageerhebung »Alle gegen einen«? - ich habe es auch später nicht
erfahren. Tante Eva, Onkels Frau.war bei uns eine große Autorität, und sie
verhängte über diese Sache offenbar ein strenges Moratorium. Aber sicher war
einiges auch für sie im Dunkeln geblieben. Ein Auto wollte Onkel ONKEL sowieso
seit langem kaufen, ein Bauernhaus auf dem Lande ebenfalls. Das war allerdings
sowieso ein Teil seiner früheren und überhaupt nicht geheimen Planungen.
    - Ein Auto
muß zuerst her, um das Haus auf dem Lande überhaupt suchen zu können, sagte er
immer wieder.
    Daß kurze
Zeit später ein Kaufvertrag für das Auto unterschrieben wurde, kann mit dem
schockierenden Geldsegen nicht direkt zusammengehangen haben - die
Kaufanmeldung war schon einige Jahre alt. Nahm man dem Onkel einen Teil des
Geldes einfach ab? Mußte er seine geheimen Quellen offenlegen - oder sogar
seine noch geheimeren Pläne? Aus Evas Moratorium wurde ein Grabgeheimnis.
Onkels Sonderschatz wurde aber - nehme ich an - aus überhaupt nicht geheimen
Quellen gespeist, er wurde eventuell nur kontinuierlich und konsequent
gefüttert. Garantiert wurde er aber - denke ich heute - von einem streng
geschützten Privatteil seiner Bewußtheit verwaltet, in dem er eine Art
phantasierter Freiheit genießen konnte. Irgendwo schwebte ihm vielleicht doch
ein anderes Leben vor, eine Möglichkeit, sich Würde zu organisieren und
notfalls eben zu kaufen. Das wäre nur zu verständlich gewesen. Das lange
erwartete Auto stand tatsächlich irgendwann vor unserem Haus - es war der
rundliche Zweitakter »Wartburg« aus der Deutschen Demokratischen Republik.
    - Das
beste Zweitakterauto der Welt, meinte Onkel ONKEL.
    Im
Zusammenhang mit dem Kauf gab es anfangs leise Forderungen, Onkel solle
bedürftige Familienmitglieder mit seinem Tuckermobil bei Bedarf auch
transportieren - von irgendwo abholen oder irgendwohin bringen. Mein Onkel war
aber ein Weigerungsprofi, und alle kannten bald seinenhammerstarken

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