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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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an Liebe« - in Sicherheit zu bringen. Der Überlieferung nach rauchte die
Baronin in meinem Zimmer so wild, daß sie sich dort wie zur Tarnung regelrecht
einnebelte. Sie rauchte aber, mit dem Kopf halb hinter ihrem aufgeschlagenen
Mantelkragen versteckt, auch auf der Straße, was damals eine Ungeheuerlichkeit
war. Sie hustete viel. Baronin Nädhernä wurde bei uns übrigens nie deutsch
»Nädherny« oder sogar (um die zwei Vokalstriche gebracht und auf der zweiten
Silbe betont)
    »Nadherny«
genannt. Die »y«-Endung ist im Tschechischen männlich. Übrigens hatte Sidi
ihren Namen während der Okkupation selbst verändert - also zu »Nädhernä«
zurücktschechisiert.
    In mein
Zimmer ließ ich während meiner gesamten Kindheit nur ein einziges Mal einen
Fremden eintreten. Der von mir ausgezeichnete Glückspilz hieß Petr Skopka; ich,
der Unglücksrabe, hatte Geburtstag. Es war Anfang November, draußen war es
äußerst ungemütlich, und die uralte mannshohe Gasheizung, die viel zu nah an
meinem Bett stand, wurde wie üblich - vor allem aus Sicherheitsgründen - nicht
angeworfen. Die Innereien des gußeisernen Monstrums waren verwackelt, und das
Abzugsrohr war vom Onkel etwas experimentell angeschlossen worden - es führte
von oben nach unten und verschwand in der Wand erst kurz oberhalb des
Parkettbodens. Das Besondere an diesem Museumsstück war noch, daß man sein
emailliertes Regulierungsrädchen mit den Ziffern 1, 2 und 3 einfach aufdrehen
und den luftigen Kraftstoff auch vollkommen flammenlos strömen lassen konnte.
Eine Heizung dieser Generation kam noch ohne ein Kontrollflämmchen und ohne
jegliche bimetallische Sicherung aus.
    Die
Geburtstage wurden bei uns schon am Vorabend gefeiert, meistens erst spät nach
dem Abendbrot. Ich wunderte mich darüber immer wieder. Diesmal war aber einiges
anders. Die Geburtstagsfeier fand am Nachmittag statt, außerdem sollte
irgendwann auch mein Vater vorbeikommen. Er kam tatsächlich, mit Skopka gab es
aber schon nach kurzer Zeit einen Streit, dann einen verbissenen Kampf auf dem
Fußboden, obwohl es in meinem Zimmer für einen richtigen Kampf nicht genug
Platz gab. Irgendwie sollten wir uns in einer schmalen Schlucht zwischen den
türlosen Schränken und einem riesengroßen, fast nie genutzten Eßtisch gemütlich
ausbreiten und spielen. Gleich nach dem Ringkampf ging Petr Skopka, der von den
meisten mit seinem Nachnamen angeredet wurde, wieder nach Hause. Zum Glück ist
ihm wenigstens mein charmanter, gutgelaunter Vater positiv aufgefallen - und er
erwähnte ihn in der Schule mehrmals. So gesehen war diese Testfeier ein Erfolg.
Daß mein Vater an dem Tag - wie üblich - leicht angetrunken war, ging mir erst
viel später auf.
    Mein durch
die zwei zusätzlichen Blumenschränke verunstaltetes Zimmer wurde nach dem Kampf
mit Skopka für ein Jahrzehnt zu einer absoluten Sperrzone, und ich war erst in
einer Notsituation wieder bereit, jemanden hereinzulassen. Der mit mir
befreundete Glückspilz Nr. 2 war nur besuchsweise in Prag und mußte einen Abend
irgendwo totschlagen. Wir saßen unbequem auf dem ehemaligen Bett der Baronin,
als Tisch diente uns eine wackelige Platte, die lose auf einem wuchtigen
Schiffskoffer lag. Den großen Eßtisch gab es nicht mehr. Dummerweise beschloß
meine liebe Großmutter Lizzy, Sidis ehemalige Freundin, sich ausgerechnet an
diesem Abend auch in »meinem« Zimmer aufzuhalten. Sie setzte sich auf ihr Bett,
begann mit ihren üblichen Näharbeiten und empfand die Situation als vollkommen
normal. Das Gespräch zwischen mir und dem Freund stockte, und mir wurde immer
heißer im Kopf. Lizzy bekam unser Sprachwürgen gar nicht mit, da sie uns als
eine gut erzogene Dame nicht belauschte.
    Plötzlich
bewegte sich mein verschwitzter und verkrampfter Freund etwas ausladender als
erlaubt und streifte heftig einen der Schrankvorhänge. Ursprünglich sollten
diese zwar nur die häßlich verzierten Schranktüren ersetzen, jetzt standen
hinter ihnen aber noch - und nur provisorisch angelehnt - zwei
zusammengeklappte Campingstühle. Die von mir nicht geliebten Sitzgeräte (»für
deine Gäste ...«) rächten sich jetzt und kippten scheppernd nach vorn. Mein
Freund vermutete einen feigen Angriff aus dem Hinterhalt, ging in Deckung und
schützte instinktiv seinen Kopf. Mich überraschten die Stühle nicht mehr, ihre
Aluminiumfüßchen gerieten auf dem Parkettfußboden immer wieder ins Rutschen -
allerdings erfolgten die üblichen Invasionen meist anders und

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