Faktor, Jan
im erregten Zustand wage ich gar nicht zu denken. Die arme Cousine
braucht in ihrer beschwerlichen Position unbedingt die Hilfe aller beteiligten
Frauen - den pissenden Fettschwanz versorgt sie allerdings allein. Dieser wirkt
in diesem recht instabilen Körperarrangement - in dieser Schwanz-Pietä
sozusagen - wie der ruhende Mittelpunkt. Alle die in ihrer Schräg- oder
Bücklage erstarrten Weibsbilder sehen mich gequält und leidend an, ich schaue
lange zurück und täusche Verständnis vor, nicke mit dem Kopf. »Ich weiß, ich
weiß Bescheid«, versuche ich damit zu sagen. Eine andere Bezeichnung für das
ganze Bildnis könnte lauten: »Ecce-Penis«. Ich deute den Verschwörerinnen
gestisch und mimisch das Versprechen an, über die Mißbildung der Cousine
niemandem zu erzählen. Und ich verlasse wieder den Raum, um die weitere
Versorgung der Gehandicapten nicht zu stören.
Hinter den
Türen wurde bei uns natürlich ausgiebig auch über körperliche Intim-Angelegenheiten
gesprochen. Zwar nur selten, dafür aber laut genug. Sexuell aktiv waren bei uns
nur meine Mutter und Tante Erna mit ihren wechselnden Auserwählten, und wenn
etwas Sexprivates zu erfahren war, dann eben bei diesen beiden Frauen. Ich und
meine jüngere, mit mir mehr verbündete Cousine hörten einmal hinter einer Tür
zu, als sich unsere Tante Erna mit der Großmutter Lizzy beriet - und ihr einige
ihrer Probleme und Eigenarten erläuterte.
- Ich will
noch auf den letzten Millimetern die Freiheit haben, NEIN zu sagen, bevor er
reinkommt. Weiß du, was ich meine?- Ja, natürlich. Es ist aber störrisch.
- Und was
soll ich tun?
- Du mußt
nachgeben - und möglichst mit Freude. Ich hatte für mein Leben noch ganz andere
Regeln. Die Frau muß lernen zu schweigen. Merk dir das.
In der
Unterhaltung kamen die beiden später wieder auf das ORGAN zu sprechen, das
Tante Erna offenbar noch weitere Probleme bereitete. Da ich und meine Cousine
aber mit Grübeln über die Bedeutung der »letzten Millimeter« beschäftigt waren,
hatten wir die Überleitung leider verpaßt.
- Du bist
da vielleicht etwas entzündet, vielleicht kratzt du dich mit dem harten
Klopapier an deinem Zäpfchen - beim Abwischen. Du mußt aufpassen. Oder kaufe
dir für die Devisen das weiche Westpapier, es ist dreilagig, deswegen sind die
einzelnen Schichten besonders zart.
- Das ist
mir für das bißchen Pisse zu schade. Ich möchte mit dir aber noch etwas anderes
besprechen.
-Ja?
- Auf
keinen Fall aber weitererzählen!
- Nein,
keine Angst.
- Wenn ich
stark erregt bin, kommt aus mir so viel Flüssigkeit heraus, daß ich mich
schäme. Es spritzt regelrecht aus mir. Vielleicht entwickele ich auch deswegen
diese Angst, deswegen vielleicht dieses Zumachenwollen.
- Was für
eine Flüssigkeit? fragte ich die Cousine anschließend.
- Weiß ich
nicht, keine Ahnung - die spinnt einfach.
Viele
Erkenntnisse über die Weiblichkeit und weibliche Körperlichkeit mußte ich mir
im Leben allein erarbeiten. Daß in der Regel die Frau den Mann wählt und daß
die Frau nicht nur wählen, sondern in Paarungsangelegenheiten auch letztendlich
entscheiden sollte, empfand ich aus folgendem Grund vollkommen verständlich:
Die Penetration und alle anschließenden Befruchtungs-, Keimungs- und
Reifungsvorgänge spielen sich nun mal in der Frau, also an oder innerhalb ihrer
Körpergrenzen ab. Normalerweise jedenfalls.
Wie
bereits geschildert rutschte der Aufklärungswille meiner Mutter gegen null,
wenn ausgerechnet reale Ganzkörpernacktheit im Spiel war. In unverfänglicheren
Situationen wurde sie aber sofort wieder pädagogisch aktiv. Wenn vor uns ein
weibliches Wesen lief, dem man unterhalb des Minirocks zwischen den Schenkeln
hindurchsehen konnte, forderte mich meine Mutter auf, diesen Spalt zu
beurteilen. Daß die stoffsparende Mode ausgerechnet in den sechziger Jahren
aufkam, war dafür äußerst günstig.
- Was
meinst du, ist es schön oder nicht? Gefällt es dir?
- Sieht
gut aus, schlanke Beine sind immer schön.
- Nein!
meinte sie unwirsch. Wenn sich die Schenkel einer Frau nicht berühren, ist es unvorteilhaft.
Sieht man bei mir etwa durch? Nein! Na bitte.
Unschön
fand meine Mutter außerdem, wenn eine Frau unproportioniert lange Beine hatte -
wenn der Oberkörper also unnatürlich kurz wirkte. Das Tschechische hat für
dieses Phänomen sogar einen speziellen Ausdruck parat: »vysoke chcani«, was
übersetzt nichts anderes als »HOHES PISSEN« bedeutet. Wenn zu dieser
Disproportionalität
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