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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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noch ein viel zu kurzer Hals hinzukam, war meine
fundamental-darwinistisch tickende Mutter nicht zu beruhigen.
    - Guck dir
das an, das geht so nicht.
    Manchmal
deutete sie draußen in der Öffentlichkeit auf junge Frauen, die sie besonders
attraktiv fand. Wenn sie an ihnen aber doch etwas Unvollkommenes entdeckt
hatte, urteilte sie relativ grausam:
    - Sie
könnte eigentlich ansprechend aussehen, aber nur bei einer bestimmten
Beleuchtung.
    Daß manche
Damen es nicht sein lassen konnten, in Richtung meines Unterleibs zu starren,
mußte ich auch bald feststellen. Als ich einer Nachbarin aus unserer Straße
einmal etwas vorbeibringen mußte, war sie ausgesprochen NETT zu mir, lächelte
mich pausenlos an, schmeichelte mir, redete immer weiter, so daß ich aus ihrer
stickigen Wohnung ewig nicht herauskam. Und weil ich nicht unhöflich sein
wollte, blieb ich und hörte mir ihre vollkommen übertriebenen Loblieder weiter
an. Sie schwärmte über meine Erfolge in der Schule und beim Ausdauersport,
erwähnte meine handwerklichen Großtaten, über die ihr berichtet worden war. Als
ich mich langsam rückwärts in Richtung Tür schob und aus der Tür trat, blieb
sie noch im Türrahmen stehen, sah mir intensiv in die Augen, nagelte mich also
auch noch im Treppenhaus fest. Dabei konnte sie es nicht lassen, immer wieder
kurz meinen halbgeöffneten Hosenstall zu mustern. Ich hatte bereits vor einer
ganzen Weile gemerkt, daß der Reißverschluß nach unten gerutscht war, war aber
zu stolz, ihn unter dem aufgebauten Druck nach oben zu ziehen. Erst Stunden
später begriff ich, daß diese Frau möglicherweise davon geträumt hatte, von mir
verführt zu werden - wenn nicht gleich, dann eventuell irgendwann später. Daß
ich noch etwas nachreifen könnte, war in ihrem Blick auch noch verborgen
gewesen, hatte ich den Eindruck. In ihrer Penetranz sprach sie auf alle Fälle
eine Art unverbindlicher Einladung für die Zukunft aus. Und ich habe sie und
ihre Offerte nicht vergessen, wie man sieht.
    Von der
kindesmißbräuchlichen Busfahrt mit Schmuseexzessen habe ich ausgiebig
berichtet, leider ist es zu derartigen körperlichen Abenteuern nie wieder
gekommen - trotzdem tat ich gut daran, mich regelmäßig auch für die
Bildungsfahrten anzumelden (mich mitanmelden zu lassen), an denen mehrheitlich
Erwachsene teilnahmen. Bei allen mir erinnerlichen Betriebsbusfahrten, die quer
durch unser Land führten und mit langen Heimfahrten im Dunkeln abgerundet
wurden, war die ideelle Marschrichtung immerdie gleiche - die Endstation hieß
Unterleib, unter dem Gürtelstrich ging es dann also um Sex; egal, ob
Innenministeriumsangestellte, Spionenführer, Antispione oder momentan
zurückgezogene Agenten in den Bussen saßen oder ob es sich bei den Erwachsenen
um Verlagslektoren, -buchhalter, Schriftsteller oder schriftstellernde
Journalisten handelte. Alle diese Erwachsenen legten irgendwann ihre Hemmungen
und ihre Scham ab. Bei den Heimfahrten wurde natürlich getrunken, meistens irgendwelche
mährischen Weine. Und als es draußen dämmerig wurde, begann man zu singen.
Anfangs waren einigermaßen anständige Liebes- und Weinanpreisungslieder an der
Reihe, mit der Zeit wurden die Liedtexte aber immer schlüpfriger - bis die
Hardcore-Nummern an die Reihe kamen.
    »To je
vocas myho muze / vzdyt' ho poznäm podle küze ... Das ist der Schwanz meines
Mannes, den erkenn' ich an seinem Leder.«
    Dieses
offenbar allen jeweiligen Mitfahrenden bekannte Lied war damals regelmäßig auf
dem Programm. Die Geschichte, die darin erzählt wird, ist wirklich kurios - und
für mich blieb sie auch deshalb unvergeßlich. Die besungene Frau, also das
singende Ich, ist sich beim Anblick eines herumliegenden Penis
erstaunlicherweise ganz sicher, wem das schlaffe Würstchen gehört - sie
identifiziert den Inhaber und ehemaligen Träger an der Beschaffenheit der Haut.
Wie oder warum es zu der Amputation gekommen ist, erklärt das Lied leider
nicht. Diese Unklarheit am Rande schien aber niemanden zu stören. Daß die Frau
- stutzte ich - eher vom »Leder« des abgetrennten Schwanzes spricht und nicht
ein feineres Wort für Haut benutzt, hat zwar mit dem Reim und Rhythmus zu tun,
die Abgebrühtheit der Ausdrucksweise schockierte mich trotzdem jedesmal. Ich
erkannte unsere Begleiter, die bei Tageslicht so seriös gewirkt hatten, nicht
wieder. Und alle sangen mit. Meinem Vater war alles zuzutrauen - aber auch
meine Mutter war jedesmal mit vonder Partie. Sie vergnügte und amüsierte

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