Faktor, Jan
sich
proletarisch wie alle anderen: »... den erkenn' ich an seinem Leder.«
In einem
anderen auch sehr beliebten Lied, das traditionell gesungen wurde, weist der
Liebhaber die Schuld für das Schwängern seiner Geliebten weit von sich und
sagt: »Dazu war ich zu betrunken. Sie war es! Sie hat ihn in ihr Händchen
genommen und sich ihn selbst reingesteckt...«
And
everybody: »Streik si ho tarn saamaaaa«, sang meine Mutter. Oder ich hörte
zwischen den Stimmen der Abwehrspezialisten oder Möchtegernspione meinen Vater:
»Byl jsem vopilej ... ich war zu betrunken, vzala si ho do rucicky ... hat ihn
in ihr Händchen genommen ...«
Als der
schlimmste Verderber der tschechischen Jugend müßte aber wahrscheinlich unser
Nationaldichter Jaroslav Vrchlicky bezeichnet werden. Er war eindeutig ein
Genie und eine besessene, dauernd überkochende Reim-Maschine, der später nur
Viteslav Nezval das Wasser reichen konnte. Vrchlicky schrieb eine Unmenge von
Gedichten, Epen und Stücken und übersetzte alle dem Volk noch nicht bekannten
Werke der Weltliteratur ins Tschechische. Wenn er ein Deutscher gewesen und
hundert Jahre früher geboren worden wäre, hätte Goethe nicht einen
ehrfürchtigen Kollegen wie Schiller, sondern einen wild herausfordernden und
auch endlos gebildeten Universal-Rauschekopf zu ertragen gehabt. Ausgerechnet
dieser überproduktive und kreative Mann schrieb eines der übelsten
pornographischen Epen, die das neunzehnte Jahrhundert erblicken sollte - den
»RITTER GEIL«. Und weil dieses Fickepos seit seiner Entstehung in unzähligen
Privatdrucken erschienen war, gehört dieses Werk, das voller schockierender und
auch hier nicht zitierbarer Reime ist, zum kulturellen Gemeingut des
tschechischen Volkes. Auch während der sozialistischen Ära kannten es alle
Generationen. Nur Vrchlickys üble »Ode auf die Scheiße« geriet lange Zeit in
Vergessenheit (»desAbends denke ich oft über die Scheiß wurst nach / und wenn
ich sie mir näher ansehe, muß ich jaulen vor Lachen oder vergieße Tränen ...«).
Die
pornographische Geschichte des ahnungslosen Ritters Geil ist relativ einfach
gestrickt: Der verrückte Ritter steckt seinen Penis überall hinein, wo er
irgendwelche Löcher entdeckt, bis man auf seiner Burg den Grund seines
sonderbaren Tuns begreift: Der unglückliche junge Adelsmann ahnt nicht, daß es
ausgerechnet unter den weiblichen Röcken eine passende Öffnung für sein Glied
gäbe. Der Ritter wird aufgeklärt und umgehend erlöst, die Orgien nehmen
daraufhin kein Ende - und Vrchlickys Reim-Eskapaden auch nicht. Wo bleibt hier
Goethe mit seinen »Römischen Elegien« oder »Venezianischen Epigrammen«?
Manchmal
war ich - vielleicht dank der dauerhaften botenstoff-erotischen Überflutung -
so verwirrt, daß ich reinen Unsinn redete. Als ich einmal auf der Straße von
einer Bekannten unvermittelt gefragt wurde, wie es meiner Tante Györgyi gehe,
fiel mir ein vollkommen falscher Satz aus dem Mund heraus:
- Die ist
doch gestorben.
Ich merkte
schon während des Absonderns der ersten Silben, daß ich etwas vollkommen
Verkehrtes aussprach, war aber ratlos, wie ich mir aus dem sinnlosen
Unglücksloch wieder heraushelfen sollte.
- Ach, das
tut mir leid! Wann war das, wieso weiß ich nichts davon? Wann ist das
Begräbnis, um Gottes willen?
- April,
April, sagte ich kurz entschlossen und rannte weg.
Es war
zwar längst schon Mai, dieser Mai war aber kalt wie ein normal warmer März, und
ich bin bis heute davon überzeugt, daß mein Spontanscherz noch das Beste war,
was sich in dem unglückseligen Moment tun ließ. Am Ende kam ich moralisch noch
einigermaßen glimpflich davon. Unsere Gegend war gerade voller Kanonen und
Panzer - unsere Armee mußte abends und nachts auf dem Boulevard der Verteidiger
des Friedens für die alljährliche Siegesparade üben - und die Tanten einigten
sich auf eine Formel, die sie auch nach außen vertreten wollten: Ich sei wegen
des ganzen Kriegsgeräts verwirrt gewesen und hatte nicht überlegt, was ich
sagte.
- Georg
ist eben ein kleiner Witzbold, sagte man von mir außerdem, er sollte es aber
nicht übertreiben.
Eine Weile
zwang ich mich, so oft wie möglich Witze zu reißen, auch wenn mir überhaupt
nicht danach war.
den
einmarsch haben wir gewonnen
Die Panzer
und Panzerwagen, die in der Nacht vom zwanzigsten auf den einundzwanzigsten
August 1968 eingeflogen wurden, rollten vom Flughafen Ruzyne die acht Kilometer
lange Leninstraße entlang, fuhren auf dem kreisrunden
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