Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
beinahe so etwas wie ein Held für die Jüngeren unter ihnen. Es wäre ein enormer Gewinn für uns, wenn du zurückkommen würdest. Gerade jetzt in diesen schweren Zeiten.“
Leon wich seinem drängenden Blick aus, sah hinaus aus dem verschmutzten Fenster der kleinen Spelunke, in der sie saßen. Doch er sah nicht die dunkle Gasse dort draußen, das rissige, feuchte Mauerwerk an dem sich Efeu emporrankte. Es sah Menschen mit erhobenen Schwertern, die sich mutig in den Kampf warfen, hörte das Klirren der Schwerter, hörte Schmerzensschreie und sah den Tod, wie er sich einen Mann nach dem anderen holte, ganz gleich ob nun Freund oder Feind. Das alles war so fern und doch so beängstigend nahe… Er wollte das nicht wieder erleben. Doch hatte er eine Wahl?
Ein Räuspern aus der Richtung des Lords holte ihn zurück in die Gegenwart.
„Ich… habe gehört, dass auch du ernsthafte Probleme hast.“ Hinras sah ihn ernst an. „Die hängen nicht zufälligerweise damit zusammen, dass du einmal König Renon gedient hast?“
Leon holte tief Luft. Er wurde nicht gern daran erinnert. „Ich weiß nicht so recht. Ich kann mir gut vorstellen, dass das noch einen anderen Grund hat.“
„Du weißt, dass wir nicht die Kraft haben, uns um die Probleme einzelner Menschen zu kümmern – schon gar nicht, wenn sie sich sonst wo in Falaysia herumtreiben“, meinte Hinras. „Aber wenn du dich uns wieder anschließt, können wir dich nicht nur in ein sicheres Versteck bringen – dann können wir dich auch beschützen.“
Leon lächelte schwach. „Glaub mir, vor Marek ist man nirgendwo sicher.“
Der Lord wurde für einen Moment noch etwas blasser, als er ohnehin schon war. Sein Adamsapfel bewegte sich sichtbar auf und ab. „Marek ist persönlich hinter dir her? Ich dachte, er hätte diese… Sache längst vergessen.“
„Tja, ich auch“, gab Leon zu. „Wie es aussieht, ist er nachtragender, als wir dachten.“
Hinras zupfte sich nervös an seinem Spitzbart. „Sie suchen nach dir?“
Leon nickte.
„Sind sie schon in der Stadt?“
„Einige. Und Marek selbst soll auf dem Weg hierher sein.“
Hinras Augen weiteten sich ein wenig und er fuhr sich nervös mit einer Hand über den Mund. „Das ist schlecht.“ Sein Blick flog gehetzt hinüber zur geöffneten Tür der Spelunke. Jegliche Ruhe, die der Lord zu Beginn ihres Treffens noch besessen hatte, war aus seinen Gliedern gewichen. Er beugte sich weit zu ihm vor. „Du solltest so schnell wie möglich verschwinden und ich ebenfalls!“
„Das sehe ich auch so“, stimmte Leon ihm zu. Er war der Verzweiflung ganz nah. Anscheinend war es dem Lord wirklich nicht möglich, ihm zu helfen. Höchstwahrscheinlich war er ganz allein nach Xadred gereist, um, nach all dem was passiert war, möglichst kein Aufsehen zu erregen. Er war genauso hilflos wie Leon selbst. Nur, wie sollte Leon entkommen, wenn keiner da war, der ihm half, und er keine Zeit hatte, sich angemessen auf die Flucht vorzubereiten? Hals über Kopf etwas zu tun, lag ihm so gar nicht im Blut.
„Leon deine einzige Chance, die nächsten Wochen zu überleben, ist, dich dem Heer des Königs wieder anzuschließen“, drängte Hinras ihn. „Marek entkommt man nicht – nicht, wenn man allein ist!“
Hinras hatte Recht. So wie es aussah, gab es keine andere Alternative. Sterben oder Kämpfen? Kämpfen klang besser.
Er nickte zögernd und konnte beobachten, wie sich Hinras’ Gesicht deutlich erhellte. Er hatte gar nicht gewusst, dass dem Lord so viel an ihm lag.
„Wir können aber nicht zusammen reisen“, überlegte Leon. „Also, wo kann ich euch finden?“
Ein sanftes, dankbares Lächeln erschien auf dem Gesicht des Lords. Er beugte sich vor und sprach nun noch leiser als zuvor.
„Du weißt, dass wir in Vaylacia einen gemeinsamen Freund haben“, flüsterte er. „Er wird dir sagen, wo du mich und einige der anderen finden kannst.“
„Gut“, meinte Leon nur und erhob sich. „Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen!“
Auch Hinras stand auf. Für einen Augenblick sahen sich die beiden Männer an, voller Sorge um einander.
„Pass auf dich auf, Junge“, sagte der Lord sanft.
Leon nickte. „Du auch!“
Dann trennten sie sich und verließen die Spelunke durch verschiedene Ausgänge.
X adred
D er Weg nach Xadred war furchtbar lang und erschöpfend, zumal Jenna und Gideon noch Beutel mit Wolle mit sich trugen, die sie in der Stadt gegen Lebensmittel eintauschen wollten, und
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