Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
befinden?
Vielleicht war das hier ja auch die neuste Ferienattraktion oder die Kulisse für einen Film, oder sie träumte ganz einfach. Sie durfte nur nicht die Kontrolle über sich verlieren, nicht verzweifeln, nicht sofort glauben, was ihre Augen ihr da vorgaukeln wollten. Hier gab es etwas, das sie mit ihrem Durchschnittsverstand nicht begreifen konnte – na und?! Es würde sich schon alles aufklären, alles würde wieder gut werden.
„Kommst du?“ fragte Gideon, der schon ein Stück den Hügel hinunter gelaufen war. Er sah sie prüfend an und der Ausdruck in seinen sanften Augen sagte ihr, dass er anscheinend wusste, was in ihr vorging. Er schien sogar richtig besorgt. Der gute Mann. Selbst wenn er verrückt war und sich tatsächlich alles logisch erklären ließ – er wollte ihr wirklich helfen und sorgte sich um sie.
„Ist alles in Ordnung?“ fragte er vorsichtig.
Jenna nickte nur. Zu mehr war sie nicht fähig. Zu viele Gedanken rasten durch ihren Kopf, zu viele Ängste, zu viele Gefühle. Sie musste sich unbedingt wieder beruhigen und sie fühlte, dass Gideons Gegenwart ihr dabei helfen konnte. Also ging sie mit wackeligen Beinen zu ihm hinunter. Am besten war es, alles auf sich zukommen zu lassen, die Ruhe zu bewahren und wohl überlegt die nächsten Schritte zu tun. Zum Verzweifeln blieb nachher noch genug Zeit.
„Können wir weitergehen?“ fragte Gideon vorsichtig.
Sie nickte wieder und gemeinsam setzten sie den Weg fort. Doch je näher sie der Stadt kamen, desto bedrohlicher, desto echter wirkte diese auf Jenna. Sie konnte Menschen auf den Palisaden der Mauern erkennen, Menschen in schweren Rüstungen, die so poliert waren, dass sich das Sonnenlicht in ihnen brach. Und sie sah Menschen, die in die Stadt hineingingen, die genauso gekleidet zu sein schienen wie Gideon auch. Es gab keine Kamerateams, keine Touristen, kein Anzeichen dafür, dass auch nur ein kleines Detail an dieser Stadt und an diesen Menschen nicht echt war.
Ihr Magen verkrampfte sich noch ein wenig mehr, als einer der Ochsenkarren, die aus der Stadt gekommen waren, klappernd an ihr vorbei wackelte. Der Mann, der auf dem Bock saß, trug die altertümlichen Lumpen eines Bauern und nickte ihnen mit einem freundlichen, beinahe zahnlosen Lächeln zu, bevor er seinen Ochsen mit der Rute dazu anstachelte, ein wenig schneller zu laufen.
Es war so gut wie unmöglich, dass alle Menschen in dieser Gegend verrückt waren und denselben seltsamen Fetisch hatten wie Gideon. Und ein beängstigender, unerträglicher Gedanke drängte sich langsam in Jennas Verstand. Was war, wenn die beiden Alten sie nicht angelogen hatten, wenn sie sich tatsächlich in einer anderen Welt, in einer anderen Zeit befand? Was war, wenn all das Gerede von Magie, all die Geschichten, die Melina ihr erzählt hatte, wahr waren? Dann war es auch möglich, dass Demeon übersinnliche Fähigkeiten besaß und sie hierher gebracht hatte… Wie war das möglich? Und warum hatte er das getan? Nein – nein, das konnte nicht sein… Konnte nicht…
Jenna spürte, wie plötzlich ihre Knie wieder weicher wurden. Ihr Herz klopfte hart in ihrer Brust, in ihren Ohren begann es zu rauschen und Tränen stiegen in ihre Augen. Sie musste stehenbleiben, sich setzen… Das war einfach zu viel…
Eine Hand schloss sich um ihren Oberarm und als sie den Kopf hob, sah sie in Gideons sorgenvolle braune Augen. Augen, die nicht bei ihr blieben, sondern immer wieder voller Angst zu einem Punkt hinter ihr wanderten.
„Jenna – du musst dich jetzt zusammenreißen“, raunte er ihr zu und zog sie zu ihrem Erstaunen auf eines der gemähten Kornfelder, die den Weg zur Stadt säumten. „Du musst weiterlaufen, so als ob nichts wäre. Und du darfst sie nicht ansehen! Hörst du! Sieh sie nicht an!“
Jenna blinzelte den Alten irritiert an, ließ sich jedoch widerstandslos von ihm vorwärts schieben. Erst dann vernahm sie es auch: ein dumpfes Donnern aus der Ferne. Und als schließlich auch noch der Boden unter ihren Füßen zu beben begann, musste sie sich doch etwas zittrig umsehen. Nicht allzu weit von ihnen entfernt entdeckte sie eine große Gruppe von Reitern, die im wilden Galopp über die Felder auf sie zuschossen. Als sie den Weg erreicht hatten, zügelten sie ihre Pferde und ließen die robusten Tiere in einen gemächlichen Trab fallen.
Gideon packte die taumelnde Jenna erneut mit erstaunlich festem Griff am Arm und zog sie vorwärts.
„Nicht hinsehen!“ stieß er angespannt aus.
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