Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
auf dem sie sich im Sommer sehr gerne herumtrieb. Sie hatte ein gutes Gespür für diese Tiere entwickelt und eben dieses verriet ihr, dass Mareks Pferd eindeutig kein Vertrauen zu Menschen hatte – jedenfalls nicht zu Fremden. Also musste sie sehr vorsichtig vorgehen, um es nicht noch mehr zu verstören. Als sie schon fast bei ihm war, legte es die Ohren an und die Muskeln seines Mauls zogen sich beißbereit zusammen. Es war durchaus möglich, dass es sie angriff, sobald sie noch näher kam.
Jenna sah sich um. Die beiden Männer standen noch auf ihren Plätzen. Sie konnte weitermachen.
„Hey, was ist denn los?!“ rief Leon ungeduldig. „Brauchst du Hilfe?“
„Nein, nein, ich hab alles im Griff!“ antwortete Jenna und bewegte sich auf die Mitte des Tieres zu. Am Bauch war sie vor Bissen und Schlägen einigermaßen geschützt, solange das Tier angebunden war. Zurückweichen konnte es nicht weiter, weil ein Baumstamm quer im Weg lag. Unruhig trat es auf der Stelle, als Jenna die Hand nach ihm ausstreckte. Ihre Fingerspitzen berührten das dunkle Fell des Tieres und plötzlich wanderte ein warmes Prickeln von ihrer Brust aus durch ihren Arm, hinein in ihre Finger und der Stein vor ihrer Brust begann zu leuchten. Mit großem Erstaunen bemerkte sie, wie sich das Pferd innerhalb weniger Sekunden völlig beruhigte. Ein wohliges entspanntes Schnauben drang aus seiner Kehle, alle Angst war von ihm gewichen und es ließ den Kopf hängen, um ein wenig zu dösen.
Jenna blinzelte. Das war ja unglaublich! Der Stein hatte ihr alle Arbeit abgenommen. Noch viel besser – er hatte dieses wilde Pferd nicht nur beruhigt, sondern zu einem geradezu lammfrommen Wesen gemacht. Er hatte das Vertrauen des Tieres in Sekundenschnelle gewonnen, was sie vielleicht nicht einmal in ein paar Stunden erreicht hätte, so als hätte er gefühlt, was sie bezwecken wollte. Vielleicht war das ja das Geheimnis des Steins: Er fühlte, was in seinem Besitzer vorging, und führte dann dessen Gedanken mit magischer Kraft aus.
Jenna schüttelte sich. Sie hatte jetzt nicht die Zeit, um weiter darüber nachzudenken
„Jenna!“ ertönte wieder Leons Stimme. „Was ist denn da los?“
„Nichts!“ rief sie zurück, löste schnell den Strick vom Ast und ergriff dann die über dem Hals des Tieres liegenden Zügel. Als sie loslief, folgte ihr das Tier überaus willig, rieb sogar einmal seinen schweren Kopf an ihrem Arm und stupste kurz mit seinem weichen Maul gegen ihre Wange. Jenna lächelte und tätschelte ihm den breiten Hals. So schnell hatte sie einen neuen Freund gefunden. Einen außergewöhnlich schönen neuen Freund. Pferde mit solch einer Färbung waren selten: Ein Dunkelfuchs mit etwas hellerer, rötlicher Mähne. Schön und gefährlich. Sie fragte sich, ob sich sein Herr vielleicht auch mit der Kraft des Steins besänftigen ließ.
Als Jenna wieder zu den beiden Männern trat, wäre sie vor der Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, fast zurückgeprallt. Beide funkelten sich böse an, waren angespannt, zum Angriff bereit. Sie kam keine Sekunde zu früh zurück.
„Sehr schön“, meinte Leon zufrieden, als sie zu ihm heran trat. „Sieh mal nach, ob am Sattel ein Seil hängt.“
Sie ließ die Zügel los und betrachtete das Gepäck eingehend. Marek hatte so einige Sachen mitgenommen und darunter befand sich auch, in einer Art Satteltasche, ein Seil. Sie brachte es Leon. Der drückte ihr sein Schwert in die Hände, das sie nur mit Mühe halten konnte, und ging dann zu Marek hinüber.
„Wenn du nur eine falsche Bewegung machst, hast du meinen Dolch zwischen den Rippen“, drohte er, packte Mareks Arme und drehte sie auf den Rücken. Dann begann er seine Hände zu fesseln.
Jenna lächelte verunsichert, als sie merkte, dass Marek sie die ganze Zeit dabei ansah. Sie schämte sich dafür, dass Leon ihn so grob behandelte, auch wenn der Mann selbst nicht viel feinfühliger mit ihr umgegangen war, und es machte sie nervös, dass der Krieger sie, seit sie mit seinem Pferd aufgetaucht war, nicht mehr aus den Augen ließ. Irgendetwas beschäftigte ihn so sehr, dass er Leon gar nicht mehr richtig wahrzunehmen schien. Umso verärgerter schien er, als ihr Freund, nachdem er seine Arbeit beendet hatte, sich dicht vor ihn stellte und ihn böse anfunkelte.
„Du solltest dich bei diesem Mädchen bedanken“, sagte Leon mit einem Fingerzeig auf Jenna. „Wenn es nach mir ginge, hätte ich dich längst zur Hölle geschickt.“
Marek
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