Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
fühlte, schienen ihren Verstand zu zerfressen.
„Nicht!“ flehte sie und war schon wieder den Tränen nahe. Sie wollte das nicht erleben, wollte nicht zusehen, wie ihr Freund einen anderen Menschen tötete. „Bitte tu das nicht!“
Dieser Wahnsinn musste endlich aufhören. Aufhören !
Leon sah sie verstört an, während Marek vollkommen zu erstarren schien.
„Jenna! Dieser Mann hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Er wollte dich und mich töten. Und du… du bettelst um sein Leben?!!“ Er spuckte die Worte geradezu aus.
Natürlich konnte er das nicht verstehen. Es war so lange her, dass er in ihrer Welt gelebt hatte, in einer Welt, in der ein tiefer Schnitt im Finger schon als eine ernstzunehmende Verletzung galt. Der tägliche Kampf ums Überleben, das Töten anderer Menschen war zu seiner Realität geworden. Aber nicht zu ihrer. Sie konnte das nicht ertragen.
„Er… er hat mich gerettet“, brachte sie mit zittriger Stimme heraus. „Die Unaks haben mir all diese Verletzungen zugefügt. Sie hätten mich getötet, wenn er nicht gekommen wäre.“
Leon sah den am Boden liegenden Marek an, der es immer noch nicht wagte, sich zu bewegen. Etwas schien ihm lähmende Schmerzen zu bereiten, denn sein Gesicht zuckte nervös.
„Er verdient den Tod!“ brachte Leon nur gepresst hervor, doch die Spannung seines Körpers ließ etwas nach und machte es Jenna leichter, ihn festzuhalten.
„Ich bin es ihm schuldig, Leon!“ gab sie leise zurück. „Und manchmal ist die einfachste Lösung nicht die Beste.“
Endlich sah Leon sie an und machte somit den Kampf in seinem Inneren auch für sie deutlicher sichtbar. Ihre Worte hatten ihn zum Nachdenken gebracht, sorgten dafür, dass er seinen tödlichen Hass besser unter Kontrolle bekam. Sie musste weiterreden, ihn endgültig überzeugen.
„Wenn du ihn tötest, bist du nicht besser als er“, setzte sie leise hinzu. „Was unterscheidet dich dann noch von ihm?“
Widerwillig ließ Leon seine Hand sinken. Sie fühlte genau, wie schwer ihm das fiel.
„Eine ganze Menge“, sagte er und schüttelte frustriert den Kopf. „In Falaysia sind die Dinge nicht so einfach, Jenna. Auch die Guten sind manchmal gezwungen zu töten und sind dennoch die Guten. Das wirst du irgendwann noch begreifen…“ Sein Blick ruhte wieder voller Verachtung auf Marek, der sich immer noch nicht bewegte, nur schwer atmend von Leon zu Jenna sah und wohl selbst kaum begreifen konnte, dass er noch lebte.
Leon stieß ein tiefes Seufzen aus und schüttelte ein weiteres Mal den Kopf. „Du wirst es bereuen“, kam es ihm leise über die Lippen. „Wir werden es beide bereuen. Ich muss verrückt sein, auf dich zu hören.“
Jenna imitierte seine Geste sagte aber nichts mehr, sondern stand gemeinsam mit ihrem Freund auf. Sie wagte es kaum, seinen Arm loszulassen, aber etwas Vertrauen musste sie ihm schon entgegen bringen.
Mareks Blick ruhte nicht mehr auf Leon. Seine hellen Augen fixierten Jennas Gesicht, als er sich vorsichtig aufrichtete und ungewohnt schwerfällig auf die Beine kam. Leon bewegte sich ein paar Schritte zur Seite, die Augen seinerseits starr auf den gefährlichen Krieger gerichtet, und hob dann dessen Schwert vom Boden auf.
„An deiner Stelle würde ich mich jetzt ganz still verhalten“, sagte er.
Marek sah ihn an, mit einer solch sichtbaren Verachtung in den Augen, dass Jenna schon Angst hatte, ihr Freund könne sich gleich wieder auf den deutlich größeren Mann stürzen. Doch das tat er nicht.
„Jenna, hol sein Pferd hierher!“ wandte er sich stattdessen an sie. „Vielleicht hat er etwas dabei, womit wir ihn fesseln können.“
Jenna zögerte. Konnte sie Leon vertrauen oder war sein Hass so groß, dass er sie sogar betrügen und ihre Freundschaft deswegen riskieren würde? Es war durchaus möglich, dass sich die beiden Männer aufeinander stürzten, sobald sie sich von ihnen entfernte. Irgendwer musste jedoch das Pferd holen und sie wollte ganz gewiss nicht wieder mit Marek allein sein. Also band sie sich das Amulett mit dem Stein um ihren Hals und tat, was Leon ihr aufgetragen hatte. Schließlich stand das Pferd auch ganz in der Nähe und es würde sie nicht allzu viel Zeit kosten, das Tier zu holen. Es war ziemlich nervös und tänzelte hin und her, doch der Strick, mit dem Marek es an einen dicken Ast gebunden hatte, hielt es davon ab, wegzurennen.
Jenna war den Umgang mit Pferden gewohnt. Ihre Großeltern besaßen einen kleinen Bauernhof mit zwei Pferden,
Weitere Kostenlose Bücher