Falco Die Biografie
guter Musiker und ein netter Typ. Das macht alles noch schlimmer. Denn gerade haben die Idole der Rockmusik angefangen, gegen die Rassentrennung und den Hunger zu singen, da kommt so ein Wiener Würstchen daher und fabriziert apokryphen Schwachsinn.« Und weiter: »FALCOS Fieselton und die Latrinen-Ansichten in seinem Video sind ganz einfach eine Zumutung für jeden, der hinhört oder hinschaut. Aber das ist wohl aus der Mode gekommen … Aber bei dem, was Frauen und Mädchen wirklich zustößt, sollten FALCO seine Gesänge im Hals stecken bleiben.«
Beinahe alle großen Zeitungen und Magazine nahmen sich in der Folge des Themas an.
Die Reaktionen auf den Gottschalk-Artikel füllten ein paar Tage lang in der Münchner »Abendzeitung« immer wieder die Leserbriefspalten.
Und die meisten Briefschreiber verwahrten sich dagegen, dass ein Lied von einer Rundfunkanstalt auf die schwarze Liste gesetzt wird. In Hamburg beschäftigte sich sogar der Musikwissenschaftler Professor Hermann Rauhe, der an der Universität auch Erziehungswissenschaften lehrt, mit »Jeanny«. Bei einem Vortrag in der Katholischen Akademie, der großes Medienecho auslöste, verwies er auch auf den FALCO-Hit. Die »Süddeutsche Zeitung« schrieb am darauf folgenden Tag darüber: »Von dem Song, in dem, wenn auch auf nicht ganz eindeutige Weise, von einem Verbrechen die Rede sei, seien bereits 300.000 Platten verkauft worden. ›Jeanny‹ zeige besonders deutlich, wie die Wirkung von Schlagern entscheidend von den nichtverbalen Anteilen, also von der Art der Präsentation, dem Rhythmus, dem Sound, der Animation zum Mitsingen abhänge. Hierin liegt für Rauhe auch die Gefahr solcher Titel. Rauhe begrüßte, dass FALCOS Hit von einigen Sendern aus dem Programm genommen wurde.«
Tatsächlich schoss mit den öffentlichen Diskussionen der Verkauf der Single sprunghaft in die Höhe. Pro Tag wurden in den Plattenläden 30.000 bis 50.000 Scheiben gekauft. Quick schrieb: »Seit Anfang Dezember ging ›Jeanny‹ 400.000-mal über den Ladentisch. Seit über ›Jeanny‹ öffentlich gestritten wird, laufen die Plattenpressen erst recht auf Hochtouren.« Klar, dass das Gesamtprodukt »Jeanny« sehr spekulativ war. Doch wenngleich am Anfang aus der kruden Mischung aus Text und bewegtem Bild gewollt eine bestimmte Aussage angestrebt wurde, so konnte damals keiner die Reaktion, die schlagartig einsetzte, vorhersehen. Verknappung als Verkaufsargument kam nicht ganz unrecht.
FALCO nahm später zum Wirbel ausführlich Stellung. Als es mit dem Skandal losging, machte er gerade auf den Virgin Islands Urlaub und bekam herzlich wenig von den Angriffen mit. Er sagte nach seiner Rückkehr: »Ich ahnte, dass ›Jeanny‹ nicht ohne Auseinandersetzungen gesendet werden würde, aber welche Ausmaße diese Affäre bekommen sollte, wusste ich natürlich nicht. Dass mein Lied in den deutschen Hauptabendnachrichten Präsident Reagans Auseinandersetzung mit Ghaddafi verdrängen würde, übersteigt natürlich meine schlimmsten Befürchtungen.«
Während FALCO noch Urlaub machte, setzte sein Management eine Gegenbewegung in Gang. Man gab zum Beispiel Aufkleber mit der Nachricht »Jeanny lebt!« heraus. Ohnedies war von FALCO das Lied nur als erster Teil einer Trilogie vorgesehen gewesen. Es war schon bei der Produktion sicher, dass er auf seiner nächsten Platte »Jeanny 2« singen würde, und er spekulierte damit, dass vielleicht die Regensburger Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die er kurz davor kennengelernt hatte und die kein Geheimnis daraus machte, dass sie gern einmal vor der Kamera stehen wollte, für das Video in Part 2 die Rolle der Jeanny übernehmen könnte.
Auch nach FALCOS Rückkehr aus den Ferien ging der Wirbel um »Jeanny« weiter. Als er sich bereit erklärte, am Telefon der Bild-Zeitung Anrufe von seinen Fans entgegenzunehmen, brachen alle Telefonleitungen zusammen, so groß war der Rummel. Die meisten wollten natürlich wissen, wie es mit dem Lied weiterginge, und FALCO sagte wiederholt: »Es wird auf jeden Fall einen zweiten Teil mit der Erklärung zu Jeannys Schicksal geben. Aber eines kann ich schon jetzt verraten: Jeanny lebt!«
Am 3. Februar 1986 wollte der Bayerische Rundfunk die 100. Folge der Popsendung »Formei Eins« senden. Dabei kam es – wiederum wegen »Jeanny« – zu einem Eklat. In der Live-sendung werden auch stets die Spitzenreiter der Hitparade und die Interpreten vorgestellt, und trotz aller Boykotte verkaufte sich »Jeanny« zu jener
Weitere Kostenlose Bücher